Herzensangelegenheiten
verschob, dass ich im Sitz praktisch gefaltet wurde. Das haben zumindest die Ärzte gesagt, ich habe sie einige Male darüber reden hören. Davon habe ich aber nichts mehr mitbekommen, weil ich vor Schmerzen schon bewusstlos war. Als ich im Krankenhaus wieder aufwachte, waren meine Beine gelähmt.“
Samuel ließ den Kopf hängen. Devin und er waren sich so ähnlich, er fand keine Worte dafür. „Du hast nichts gesagt, weil du nicht wolltest, dass er sich die Schuld daran gibt, oder?“, fragte er nach einiger Zeit, die er nur die Bettdecke angestarrt hatte, und sah wieder auf.
Devin nickte. „Es reichte mir, dass Dom eben das jahrelang getan hat, bis ich ihm dafür die Leviten gelesen habe. Ich habe mich für das Leben meines besten Freundes entschieden, statt selbst aus dem Auto zu verschwinden, oder es zumindest zu versuchen. Es war meine Entscheidung, Sam. Bewusst getroffen, nach bestem Wissen.“
Samuel schüttelte den Kopf, als er verstand, worauf Devin gerade hinauswollte, aber der hielt sein Kinn fest und zwang ihn dazu, ihn anzusehen. „Du hast bei deinem Einsatz genau dasselbe getan, Sam. Das Ergebnis war ein anderes, aber das ändert nichts. Du hast keine Schuld an Erics Tod, genauso wenig wie Colin Mitschuld daran hat, dass ich im Rollstuhl sitze.“
„Das kannst du nicht vergleichen“, warf Samuel stur ein.
„Doch, das kann ich, denn unsere Entscheidungen haben unser Leben von Grund auf verändert, Sam.“ Devin grinste schief. „Und denk' ja nicht, dass ich mich damit gleich angefreundet hätte, ein Krüppel zu sein.“
„Du bist kein Krüppel“, schimpfte Samuel, weil er es nicht leiden konnte, wenn behinderte Menschen abfällig von sich selbst sprachen. Das hatte Kendrick vor einigen Jahren auch getan, und er hatte es ihm ruckzuck wieder ausgetrieben. Devin war behindert und kein Krüppel. Basta. „Ich kann dieses Wort nicht ausstehen.“
Devin grinste schief. „Ich weiß, aber damals ging für mich eine Welt unter. Ich wollte nicht im Rollstuhl sitzen. Dabei hatte ich sogar Glück. Ich meine, ich hätte vom Hals abwärts gelähmt sein können. Stattdessen hat es nur die Beine erwischt. Trotzdem wollte ich lieber tot sein, als auf die Weise zu leben, und ich habe mir eine Menge Mühe gegeben, das auch zu schaffen.“
„Was soll denn das heißen?“, fragte Samuel beunruhigt nach. „Was ist passiert?“
„Ich bin Alkoholiker“, antwortete Devin ehrlich und hielt seinen Blick fest. „Zwar ein trockener, aber damals stand ich kurz davor, mich zu Tode zu saufen.“
Oh Gott, dachte Samuel und schloss die Augen, um seine Stirn an Devins zu lehnen. „Es tut mir so leid.“
„Das muss es nicht, du kannst ja nichts dafür“, widersprach Devin und küsste ihn sanft, bevor er weitersprach. „Ich habe vollkommen den Boden unter den Füßen verloren. Ich habe meine gesamte Familie nach und nach weggestoßen. Ich wollte keine Hilfe von ihnen. Ich wollte nur, dass sie mich in Ruhe lassen. Colin hat versucht mir zu helfen, aber ich habe ihn nicht gelassen. Ich habe Dinge gesagt und getan, für die ich mich heute noch schäme, Sam. Am Ende war es so schlimm, dass ich alles, was Colin, Dom oder meine Eltern mir sagten, als Angriff ausgelegt habe. Ich habe sie gehasst, Sam. Ich war ein völlig anderer Mensch. Dom hat schließlich die Reißleine gezogen. Er hat mein Leben gerettet, indem er mir eine Abreibung verpasste.“
„Er hat dich geschlagen?“, fragte Samuel leise und sah Devin an, der nickte.
„Ich habe ihn dazu gebracht, sonst hätte er nie so die Kontrolle über sich verloren, glaub's mir. Ich war schon immer ein Großmaul, auch vor dem Unfall, und ich wusste, welche Worte ich wie benutzen musste, damit Dom mir an die Gurgel geht. Das ist er dann auch und hätte er dabei nicht geweint, wäre ich vielleicht nie mehr aus dem Loch rausgekommen, in dem ich damals steckte.“ Devin lächelte. „Du und ich, Sam, wir sind uns verdammt ähnlich.“
„Ich weiß“, gab Samuel zu und rieb sich die Augen, die schon vor Müdigkeit tränten. „Er hat geweint?“, fragte er dann nach, weil er sich das bei diesem Mann nicht mal im Ansatz vorstellen konnte.
„Ich glaube, er weiß das gar nicht mehr. Wir haben uns angebrüllt und ich habe Dom mit Wörtern betitelt, die ich nicht wiederholen werde, und am Ende hatte ich seine Faust im Gesicht.“ Devin lehnte sich seufzend gegen ihn. „Es tut mir heute so leid, was an dem Tag abgelaufen ist, aber danach ist mir klargeworden, dass ich
Weitere Kostenlose Bücher