Herzensangelegenheiten
wirklich. Er wusste alles. Alles. Samuel schüttelte den Kopf und kämpfte erneut gegen die Tränen. Das war unmöglich. Das würde er nicht können. Niemals. Er hatte seine Kameraden, seine ehemaligen Freunde, als grausiges Vorbild und als Mahnung dafür genommen, nicht so zu enden. Seine Freunde. Er würde nie aufhören können, sich dafür zu schämen.
„Wenn du das tust, Sam, trittst du Erics Tod mit Füßen.“
Samuel zuckte heftig zusammen. „Was?“, fragte er entsetzt und hob den Kopf, um Devin anzusehen. „Warum sagst du das? Du kannst doch nicht...“
Devin legte ihm sanft einen Finger auf die Lippen und Samuel verstummte mitten im Satz. Stattdessen starrten sie sich an. Devin abwartend und ruhig, er selbst völlig fassungslos. Wie konnte Devin das tun? Wie konnte er Eric benutzen, um ihn zu quälen? Das Ganze war schon schlimm genug, auch ohne, dass er mit... Samuel erstarrte, als ihm etwas einfiel. Etwas, das Eric damals in Laos gesagt hatte. In der Nacht beim Wasserfall, wo sie das erste Mal miteinander geschlafen hatten.
„Das Leben geht immer weiter“, murmelte Samuel und Devin sah ihn fragend an. „Eric hat das in Laos zu mir gesagt. In der Nacht, als wir...“ Samuel spürte wie er rot wurde und Devin schmunzelte. „Ich weiß gar nicht mehr, wie wir darauf kamen. Wir hatten uns über die Welt unterhalten. Über alles Mögliche. Ich wollte wissen, was sein Plan für die Zukunft ist. Für die Zeit nach der Armee. Eric zuckte die Schultern und sagte dann zu mir, 'Keine Ahnung. Das Leben geht immer weiter. Ganz egal, was passiert.' Drei Tage später hat er zu mir gesagt, dass er mich liebt. Danach haben wir entschieden, nach Laos auszusteigen. Vier Tage später war er tot.“
Devin nickte und strich ihm durch die Haare. „Eric hat Recht. Was bringt es dir, der Vergangenheit nachzutrauern? Glaub' mir, es ist sinnlos und Zeitverschwendung. Ich habe es jahrelang getan.“ Devin deutete auf sich selbst. „Ich möchte dir etwas erzählen. Wie das hier passiert ist.“
„Du bist betrunken Auto gefahren und hattest einen Unfall“, sagte Samuel und Devin nickte erneut.
„Das ist die Version, die Kendrick kennt. Die jeder aus der Reha kennt. Es ist aber nicht die Wahrheit. Jedenfalls nicht die ganze. Die kennt niemand und ich will, dass das so bleibt. Ganz besonders was Colin angeht.“
Samuel nickte und setzte sich wieder neben Devin aufs Bett, weil ihm mittlerweile die Beine einschliefen. „Von mir wird Colin kein Wort erfahren.“
Devin legte die Hände in den Schoß. „Dass ich betrunken war und gefahren bin stimmt. Auch wie der Unfall in dieser Nacht passiert ist. Ich habe die Kontrolle verloren, der Wagen hat sich um einen Baum gewickelt und das war's. Das ist alles, was Colin noch weiß.“
„Und was weiß er nicht?“
„Dass er tot wäre, wenn ich nicht...“ Devin brach ab und atmete tief durch, bevor er weitersprach. „Als ich zu mir kam, konnte ich meine Beine noch fühlen.“
„Was?“, fragte Samuel entsetzt und Devin nickte.
„Ich wusste, dass ich schwer verletzt war. Das Blut, die starken Schmerzen, das Wrack vom Auto. Ich sah zu Colin und dachte zuerst, er wäre tot. Mein Puls war so schnell, dass ich seinen erst nicht fühlen konnte. Der Gurt hatte sich irgendwie gelöst und er hing so schief im Wagen, dass seine Stirn die Fensterscheibe berührte. Ich habe versucht, meinen Gurt loszumachen, aber er klemmte. Ich habe es immer wieder versucht, bis ich das Knirschen über mir hörte.“
Samuel blieb der Mund offenstehen, als er begriff. „Ein Ast?“
Devin nickte. „Ein großer. Er war gebrochen und verkeilt mit dem Auto. Ich habe versucht rauszufinden, wo er endet, aber es war zu dunkel. Ich konnte nur erkennen, dass er, wenn er abbricht, Colin durchbohren würde. Also habe ich aufgehört an meinem verklemmten Gurt zu fummeln, sondern Colin befreit und mich soweit ich konnte über ihn gebeugt, um die Tür zu öffnen, was nicht ging.“
„Sie hat geklemmt?“, fragte Samuel leise.
„Ja.“ Devin nickte erneut. „Deshalb habe ich ihn aufgeweckt. Es hat gedauert und er weiß davon nichts mehr, beziehungsweise Colin ist sich nicht sicher, was von dem, woran er sich erinnert, stimmt und was Einbildung ist. Ich habe ihn so lange zugequatscht, bis er sich genug gesammelt hatte, um die Fensterscheibe kaputtzuschlagen und aus dem Auto zu klettern. Er war gerade draußen, als der Ast brach, einen Teil des Wagens hochriss und dabei die Karosserie so dermaßen
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