Herzenskälte: Ein Fall für Leitner und Grohmann (German Edition)
Workaholic, wenn sie einen sah. »Wir möchten Sie auch nicht allzu lange aufhalten. Wir haben nur ein paar Fragen.«
»Dann schießen Sie los«, forderte Jessica Kusche die beiden Beamten auf, während sie sich eine Zigarette ansteckte.
»Sie arbeiten alleine?«, fragte Oliver und ließ den Blick über die mit Fotos tapezierten Wände gleiten. Die Fotografin nahm offensichtlich alle möglichen Aufträge an. Porträts, Hochzeiten, Feiern, Akte, Familienfotos. »Oder haben Sie Angestellte?«
Jessica Kusche schüttelte den Kopf. »Ich arbeite schon immer alleine. Ich könnte jemanden für meine Buchhaltung gebrauchen, jemanden, der an die Steuertermine denkt, aber irgendwie missfällt mir die Vorstellung, dass ein Fremder in meinen Unterlagen herumstöbert und alles durcheinanderbringt. Wieso fragen Sie?«
Sie hatte sich bisher noch nicht erkundigt, warum sie überhaupt hier waren. Die wenigsten Zeugen gaben sich mit der lapidaren Erwähnung polizeilicher Ermittlungen zufrieden. Die meisten versuchten irgendwelche Details zu erfahren, bevor sie auch nur die erste Frage beantworteten. Jessica Kusche hatte es allerdings offenbar eilig, schnellstmöglich wieder an ihre Arbeit zurückzukehren.
»Wir sind auf der Suche nach dem Urheber bestimmter Fotos.« Jennifer reichte ihr drei Bilder über den Tisch, die die Opfer lebend zeigten. »Kennen Sie vielleicht eine dieser Personen?«
Jessica Kusche runzelte die Stirn. »Deswegen sind Sie also hier. Es geht um diese Morde.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich kenne keines der Opfer.«
»Sie verfolgen die Ermittlungen?«
»Nein, eigentlich nicht. Ich halte mich von Nachrichten normalerweise fern. Zu viel Gewalt, zu viele Lügen. Aber ich komme mit vielen Menschen in Kontakt. Und die Leute reden …« Sie gab Jennifer die Bilder zurück. »Ich kenne diese Personen nicht. Aber das sind auch nicht die Fotos, wegen denen Sie hier sind, oder? Das sind alles Schnappschüsse, danach würden Sie mich nicht fragen.«
»Ja, das stimmt.« Die Kommissarin reichte ihr nun die drei Fotografien, die der Mörder angefertigt hatte. »Es geht um diese Bilder. Wir suchen denjenigen, der sie gemacht hat.«
Jessica Kusche musterte die beiden Beamten kritisch. »Sie meinen den Mörder?«
Jennifer und Oliver zuckten beinahe gleichzeitig die Schultern. »Möglicherweise.«
Jessica Kusche sah sich die Fotos nun genau an. Der Anblick schien ihr nicht das Geringste auszumachen. »Die wurden nachts gemacht? Im Freien?«
Jennifer nickte.
»Sie suchen einen Profi«, stellte die Fotografin fest.
»Deshalb sind wir hier.«
»Verstehe«, murmelte die Frau und nahm einen tiefen Zug von ihrer Zigarette. »Sie klappern sämtliche Fotografen in der Umgebung ab und hoffen auf einen Treffer.«
Keiner der beiden antwortete.
Erneut musterte sie die Bilder. »Technisch perfekt, emotional tot«, sagte sie. »Und zwar nicht nur, weil die Porträtierten zum Zeitpunkt der Aufnahmen nicht mehr unter den Lebenden weilten. Sie suchen jemanden, der keine Ahnung davon hat, wie man Menschen richtig in Szene setzt.«
»Wie kommen Sie darauf?«, hakte Oliver nach.
»Ist mehr so ein Gefühl. Jemand, der sich darauf versteht, Emotionen einzufangen, würde selbst aus Schaufensterpuppen, oder eben auch aus Toten, gute Models machen. Davon kann hier aber keine Rede sein.« Sie reichte die Fotos über den Tisch zurück. »Mehr kann ich Ihnen dazu leider nicht sagen.«
Der Staatsanwalt unterdrückte ein Seufzen. Eine weitere Sackgasse. »Sie haben nicht viel Kontakt zu Ihren Kollegen?«
Jessica Kusche schüttelte den Kopf. »Nein. Und mir fällt auch niemand ein, der diese Fotos gemacht haben könnte, obwohl eine Zuordnung normalerweise durchaus möglich ist, wie bei gemalten Bildern. Zumindest, wenn jemand seine Technik perfektioniert hat und immer auf dieselbe Art und Weise arbeitet. Sie werden weitersuchen müssen. Aber Ihren Ansatz halte ich für richtig.«
»Könnte ein leidenschaftlicher Hobbyfotograf solche Bilder gemacht haben?«, fragte Jennifer. Wie oft hatte sie diese Frage heute schon gestellt und immer neue Variationen derselben Antwort zu hören bekommen?
Auch Jessica Kusche reihte sich ein. »Unwahrscheinlich. Mit viel Glück würde es vielleicht ein Mal gelingen. Aber gleich drei Mal? Nein, auf keinen Fall.«
Jennifer und Oliver wechselten einen schnellen Blick. Es gab keine Veranlassung, an den Worten von Jessica Kusche zu zweifeln. Sie log nicht, hielt nichts zurück. Offen und ehrlich, wie alle,
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