Herzenskälte: Ein Fall für Leitner und Grohmann (German Edition)
Doch noch hatte sie Hoffnung.
»Nur der Kassenbereich und die Büros.«
Nicht perfekt, aber besser als nichts. »Wir brauchen die Aufnahmen«, erwiderte Grohmann an Jennifers Stelle. »Außerdem eine Liste aller Personen, die gestern bei der Veranstaltung dabei waren.«
Der Geschäftsinhaber musterte den Staatsanwalt einen Moment lang, während sich auf seinem Gesicht nacheinander die unterschiedlichsten Emotionen abzeichneten. Endlich begriff er. »Ihr ist etwas passiert, nicht wahr?«
Es gab keinen Grund, ihn noch länger im Unklaren zu lassen. »Leider ja, Herr Gallo. Larissa Schröder ist tot. Sie wurde gestern nach dem Besuch Ihres Geschäfts ermordet.«
Auf dem Rückweg nach Lemanshain diskutierten die Kommissarin und der Staatsanwalt ihre Eindrücke. Als sie im Präsidium mit dem Aufzug zu Jennifers Büro hochfuhren, waren sie sich noch immer nicht einig.
»Denkst du wirklich? Das wäre sehr riskant gewesen.« Oliver konnte sich mit der Annahme, dass der Mörder Larissa Schröder in der Boutique ein Betäubungsmittel verabreicht hatte, vermutlich mit dem Champagner, nicht recht erwärmen.
Jennifer beharrte auf ihrer These. »Er hat sich die Veranstaltung zunutze gemacht, und er wusste, dass sie lange genug bleiben würde, um das Mittel wirken zu lassen.« Die Aufzugtüren öffneten sich, und sie traten auf den Flur hinaus. »Natürlich hätte er niemals riskiert, sie so hinters Steuer zu lassen. Er hat sie sich auf dem Parkplatz geschnappt und ist mit ihr und ihrem Auto davongefahren.«
»Du hoffst, dass er dabei beobachtet worden ist.«
Jennifer nickte. Dann hätten sie vielleicht demnächst eine Beschreibung des Täters. Allerdings war die Gästeliste der Veranstaltung in der Boutique nicht vollständig, da viele der Geladenen selbst wieder Gäste mitgebracht hatten. Die Aufstellung zu vervollständigen würde vermutlich ein paar Tage dauern. »Er hätte außerdem jederzeit die Möglichkeit gehabt, sich doch noch anders zu entscheiden, wenn ihm etwas dazwischengekommen wäre. Er hätte leicht so tun können, als ob er sich um sie kümmern würde, weil es ihr nicht gutging.«
»Trotzdem, ich bleibe dabei: zu viel Risiko.«
»Du darfst nicht vergessen, dass wir es hier nicht mit jemandem zu tun haben, der unbedingt auf Risikovermeidung aus war. Denk an die Aktion mit dem Schaufenster«, erinnerte sie.
Der Staatsanwalt gab sich mit einem Seufzer geschlagen. »Das war tatsächlich riskant. Okay, deine Theorie hat was.«
Jennifer grinste, hob aber im nächsten Moment erstaunt den Kopf, als sie die Eingangstür zu den Büros der Kripo erreichten. Dass trotz der relativ späten Stunde noch Licht brannte, war nicht ungewöhnlich, dass Freya Olsson aber noch an ihrem Platz saß, war alles andere als normal.
Die Assistentin hatte im Gegensatz zu ihren meisten Kollegen ein Privatleben. Ihr kleiner Sohn musste spätestens um sechs Uhr von der städtischen Kita abgeholt werden. Überstunden machte Freya nur in absoluten Notfällen und dann auch nur, wenn sie auf die Schnelle einen Babysitter fand oder es verantworten konnte, den Kleinen mit aufs Präsidium zu bringen, bis ihr Mann ihn einsammeln konnte.
Von dem Knirps, dessen Name Jennifer schon wieder entfallen war, fehlte allerdings jede Spur. Freya musste also entweder einen Babysitter organisiert haben oder ihr Mann war früher von der Arbeit gekommen.
Als sie die Tür zum Empfang öffneten, reichte ein kurzer Blick in die Augen der Sekretärin, um zu wissen, dass während ihrer Abwesenheit irgendetwas gehörig schiefgelaufen war. Freya war geblieben, um die schlechten Neuigkeiten persönlich zu überbringen. Kein gutes Zeichen.
»Will ich wissen, warum du noch hier bist?«
»Das hat leider nichts mit Wollen zu tun.«
Freya warf Oliver Grohmann einen kurzen Blick zu und sah dann wieder Jennifer an. Dass sie damit stumm signalisierte, den Staatsanwalt eigentlich nicht einweihen zu wollen, ließ Jennifers inneres Alarmsystem noch ein wenig lauter schrillen. Oliver hatte den wortlosen Austausch der beiden Frauen bemerkt, tat ihnen aber nicht den Gefallen, sich ohne konkrete Aufforderung zurückzuziehen.
»Was ist passiert?«, fragte Jennifer.
Die Assistentin schob ihr einen Aktendeckel über den Empfangstresen hinweg zu. »Marcel hat Nuran Sahin befragt.«
»Marcel?!« Jennifer blieb der Mund offen stehen. »Den habe ich doch heute früh nach Hause geschickt!«
Freya zuckte hilflos die Schultern. »Das mag sein, aber er ist noch mal
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