Herzenskälte: Ein Fall für Leitner und Grohmann (German Edition)
besonderen Art, und es waren so viele Gäste hier, Fotografen, Presse …« Als die beiden Ermittler ihn nur fragend ansahen, fügte er hinzu: »Wir hatten gestern keinen normalen Betrieb. Eigentlich war Larissa auch eingeladen, doch sie hatte andere Pläne. Und dann stand sie plötzlich doch vor der Tür, ohne Termin, und sagte, sie bräuchte dringend etwas zum Anziehen.«
Jennifer fand es bezeichnend, dass man offensichtlich Termine machen musste, um in diesem Laden einkaufen zu dürfen. »Sie haben sie reingelassen? Ohne Termin?«
»Larissa geht hier ständig ein und aus. Sie kennt den Laden bald so gut wie ich. Ich schlug ihr vor, sie könne sich selbst umsehen, müsse aber wegen der Veranstaltung auf Service und Beratung verzichten.« Er schüttelte den Kopf. »Sie war ja so verzweifelt!«
Jennifer schloss daraus, dass sie sein Angebot angenommen hatte. »Hat Frau Schröder erwähnt, wieso sie so dringend etwas zum Anziehen brauchte?«
Der Geschäftsinhaber zuckte die Schultern. »Das war bei ihr nichts Ungewöhnliches. Wahrscheinlich hatte sie wieder einen ihrer Frauenabende. Jedenfalls hat sie sich ein ganz exquisites rotes Cocktailkleid mit passenden Schuhen und Accessoires ausgesucht. Ich könnte die Kleine einstellen, sie hat einen so vorzüglichen Geschmack und braucht meine Beratung eigentlich gar nicht.« Gallo ließ einen abschätzigen Blick über Jennifers gesamte Erscheinung schweifen und gab ihr so zu verstehen, dass er ihr Stilgefühl für das genaue Gegenteil hielt. Das fing vermutlich bei ihren zu einem Zopf zusammengebundenen braunen Haaren an und endete bei den praktischen Winterstiefeln.
Oliver fand, dass es an der Zeit war, sich einzuschalten. Zwar prallte die unausgesprochene Kritik ohne sichtbare Folgen an Jennifer ab, doch er wusste, wann es besser war, die Wogen ein wenig zu glätten. »Wir müssten genau wissen, was sie gekauft hat. Wenn Sie Fotos von den Stücken hätten …«
Gallo seufzte und verdrehte erneut die Augen. »Klar, sicher, ich kann Ihnen alles ausdrucken, auch den Rechnungsbeleg. Ich habe ja nichts anderes zu tun.«
»Ihre Expertise wäre bestimmt sehr hilfreich für uns.« Der Staatsanwalt zwang sich zu einem Lächeln. »Wissen Sie zufällig noch, was Larissa Schröder gestern Abend getragen hat?«
»Selbstverständlich«, erwiderte Gallo geringschätzig und zählte jedes an Larissa Schröder sichtbare Kleidungsstück, Schuhe, Handtasche und sogar den Schmuck samt Designer und Markenname auf. »Das ist alles. Vielleicht wären Sie jetzt endlich so freundlich, mir zu sagen, was überhaupt los ist?«
Weder Jennifer noch Grohmann hatten die Absicht, dieser Bitte nachzukommen. Die Kommissarin blickte von ihrem Notizblock auf. »Wann genau kam Larissa Schröder hier an und wann hat sie Ihr Geschäft wieder verlassen?«
Gallo schüttelte missbilligend den Kopf, antwortete aber trotzdem. »Larissa ist gegen fünf eingetroffen und ging schon um halb sieben. Sie fühlte sich nicht wohl.« Er hielt kurz inne, offenbar nicht sicher, ob er ihnen die nächste Information überhaupt geben sollte. »Ich fürchte, sie hatte zu viel getrunken.«
»Sie trank, obwohl sie mit dem Auto da war?«, hakte Oliver nach.
Der Geschäftsinhaber verstand seinen Einwurf offensichtlich falsch. »Ich bin Geschäftsmann, nicht der Babysitter meiner Kunden.« Dann wich allerdings plötzlich jegliche Aggressivität mitsamt dem letzten Rest Farbe aus seinem Gesicht. »Oh, mein Gott … Larissa hatte doch keinen Unfall, oder?«
Die beiden Ermittler schüttelten gleichzeitig den Kopf.
Trotzdem wirkte Roberto Gallo keineswegs erleichtert. Offenbar begann ihm langsam zu dämmern, dass irgendetwas Schlimmes passiert sein musste.
»Wissen Sie, ob Larissa Schröder hier gestern zu anderen Gästen Kontakt hatte?«, fragte Jennifer, bevor er sich zu lange mit der Frage beschäftigen konnte, ob einer seiner Stammkundinnen etwas zugestoßen war.
»Ich habe sie nur gesehen, als sie kam und als sie ging.« Gallo zuckte die Schultern.
Larissa Schröder musste eine extrem gute Kundin gewesen sein, dass er sie die ganze Zeit über allein in seinem Verkaufsraum gelassen hatte. »Sie war ohne Begleitung?«
Die Frage entlockte Gallo ein Stirnrunzeln. »Wenn sie nicht ihre beste Freundin im Schlepptau hatte, war sie immer allein.«
»Ist Ihr Geschäft videoüberwacht?« Jennifer hatte bisher keine Kameras entdeckt, was nicht weiter verwunderte. Die übliche Kundschaft neigte wohl eher nicht zum Stehlen.
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