Herzenskälte: Ein Fall für Leitner und Grohmann (German Edition)
Freya griff nach Handtasche und Mantel und machte sich auf den Weg.
Oliver folgte Jennifer wortlos in ihr Büro, wo sie den Aktendeckel etwas zu heftig auf den Tisch knallte. Der Staatsanwalt setzte sich schweigend ihr gegenüber an den Schreibtisch. Ein wenig bedauerte er, dass Marcel Meyer nicht hier war, denn er wäre gerne dabei gewesen, wenn Jennifers Zorn über ihn hereinbrach.
Er ließ ihr Zeit, den idiotischen Alleingang ihres Partners zu verarbeiten und auf den hintersten Platz ihrer Prioritätenliste zu verbannen. Schließlich stand sie auf und trat an das Whiteboard, das fast die gesamte Wand gegenüber der Fensterfront einnahm. Es standen einige Notizen darauf, andere, weit weniger brisante Fälle betreffend. Sie überflog sie kurz, dann nahm sie den Tafelwischer und tilgte alle Aufzeichnungen von der weiß lackierten Fläche.
Die nächste halbe Stunde verbrachten sie gemeinsam damit, sämtliche Fakten und sicheren Erkenntnisse über Opfer, Tat und Täter zusammenzutragen. Schließlich folgte noch eine Liste mit möglichen Verdächtigen, wobei sie den Ehemann als unwahrscheinlich markierten.
Peter Möhring stieß um halb acht zu ihnen. Jennifer informierte ihn über den Stand der Ermittlungen.
»Das ist nicht viel«, kommentierte der Leiter der Einsatzabteilung und verbarg seine Enttäuschung hinter einer ausdruckslosen Miene. Sie alle wussten, dass es kein gutes Zeichen war, innerhalb der ersten vierundzwanzig Stunden keinen konkreten Verdächtigen zu ermitteln. »Wie wollen Sie weiter vorgehen?«
»Es gibt viele Fragen zu klären, die Ermittlungsansätze ergeben könnten«, antwortete Jennifer. »Unter anderem müssen wir Larissa Schröders Auto finden, ebenso ihre Kleidung, ihre Handtasche, ihr Handy.«
»Wir haben dank der Angaben des Boutique-Besitzers sehr genaue Informationen über das, was sie getragen und gekauft hat«, fügte Oliver Grohmann hinzu. »Es sind teure und auffällige Stücke. Ich denke, es würde sich lohnen, die Fotos davon zusammen mit dem Auto in die Tageszeitungen zu setzen.«
Möhring nickte zufrieden. »Guter Ansatz.« Sein Blick wanderte zu Jennifer. »Darum können sich Mironowa und Herzig morgen früh kümmern. Die beiden sollen außerdem die Pfandleihen und einschlägigen Internetplattformen überprüfen, wo der Täter die Sachen anbieten könnte.«
Nachdem Jennifer bestätigend genickt hatte, ließ Möhring seinen Blick über die Notizen auf dem Whiteboard schweifen. Er stieß ein leises, kaum hörbares Seufzen aus. Vor ihnen lag eine Menge Arbeit.
Sie mussten Antworten finden: Woher stammten das Brautkleid, die Schuhe, das Bouquet, die Haarspangen und der Schmuck? Welche Vorbereitungen setzte die Tat voraus, logistisch, zeitlich, örtlich? Wie konnten sie den Tatort finden?
Zudem gab es unzählige Personen, die als Täter infrage kamen, falls die Ermittlungen im nächsten Umfeld des Opfers keinen Namen zutage förderten. »Sie sollten auch Larissa Schröders ehemalige Studienkollegen nicht vergessen«, sagte Möhring, nachdem er die Liste der Verdächtigen eine Weile stumm gemustert hatte.
»Stimmt.« Jennifer ärgerte sich, dass sie noch nicht selbst daran gedacht hatte. Larissa Schröder hatte das Studium erst kurz nach ihrer Verlobung abgebrochen. Es war also durchaus möglich, dass sich der Täter unter ihren ehemaligen Kommilitonen befand. Die Befragung der Studenten würde außerdem ihr Bild von Larissa Schröder komplettieren. Die Tat schien derart eng mit dem Opfer verknüpft zu sein, dass jede Information über sie einen brauchbaren Hinweis ergeben konnte.
Das Whiteboard war zu mehr als zwei Dritteln gefüllt, als Jennifer, Grohmann und Möhring der Meinung waren, nichts übersehen zu haben, und die Marschroute für die nächsten Tage grob skizziert war.
Grohmann verabschiedete sich schließlich als Erster. Möhring blieb an die Wand gelehnt stehen und musterte die Kommissarin einen Moment, bevor er endlich fragte: »Wie lief es mit KOK Meyer?«
Jennifers Herz machte einen klitzekleinen Aussetzer. Was, wenn ihr Chef Wind von Nuran Sahins Befragung durch Marcel bekommen hatte? Doch dafür wirkte er viel zu entspannt.
Eigentlich hätte sie ihn einweihen und dafür sorgen müssen, dass Marcel vorübergehend suspendiert wurde, damit er keinen weiteren Mist mehr bauen konnte. Zornig genug war sie, doch sie brachte es trotzdem nicht über sich. »Er wird sich krankmelden.«
»Gut.« Möhring stieß sich von der Wand ab und ging zur Tür. »Was ist mit
Weitere Kostenlose Bücher