Herzenssünde - Silver, E: Herzenssünde
ihr die Arme über dem Kopf festgehalten, bevor er in sie eingedrungen war. Gemeinsam hatten sie kurz darauf einen Höhepunkt erlebt, der ihnen den Atem geraubt hatte.
Danach hatten sie einander in die Arme geschlossen. Roxy hatte scheinbar halb betäubt unter ihm gelegen. Doch als sich ihr Atem beruhigt hatte, hatte sie ihn sanft auf die Schulter geschlagen und gesagt: „Los, geh runter!“
Jetzt lagen sie bereits eine Weile nebeneinander. Roxy schmiegte den Po an ihn und summte leise.
„Irgendwann müssen wir mal über etwas reden“, murmelte sie.
„Und worüber?“
Sie machte eine vage Handbewegung. „Über gewisse Dinge.“
„Gewisse Dinge, aha. Zum Beispiel?“
Es dauerte, bis sie antwortete: „Zum Beispiel … über die Ringe unter deinen Augen. Du siehst aus, als hättest nächtelang nicht geschlafen.“
„Hab ich auch nicht. Ich habe an deiner Seite gewacht, weil ich mir Sorgen gemacht habe.“
„Drei Tage und drei Nächte lang?“
„Die ganze Zeit.“
Sie versuchte, sich in seiner Umarmung umzudrehen, um ihm ins Gesicht zu sehen. „Aber … du warst selbst verletzt. Du hast mir dein Blut zu trinken gegeben, um mich zu stärken. Du …“
„Nimm ein anderes Beispiel“, unterbrach er sie. Zweifellos wollte sie nachhaken, ließ es aber. „Na gut.
Erzähl mir, wie du aufgewachsen bist als Sohn Sutekhs. Ich kann mir das überhaupt nicht vorstellen.“
Mit dieser Frage hatte Dagan am wenigsten gerechnet. Sehr angenehm war sie ihm nicht. Aber er wollte Roxy nicht schon wieder zurückweisen.
„Tja, wie war das?“ Er überlegte. Es war die Hölle gewesen. Entweder hatte er unter der Einsamkeit gelitten oder unter den grausamen Launen seines Vaters, dessen Ansprüchen er nie hatte genügen können. Es hatte lange gedauert, bis er sich aus diesem Dilemma befreit hatte. Und sogar als ihm das gelungen war, hatte er lernen müssen, dass auch Freiheit ihren Preis hatte. Aber das wollte er jetzt nicht alles ausbreiten. Stattdessen meinte er nur: „Es war ziemlich einsam.“
Selbst diese spärliche Mitteilung erschien ihm schon zu viel. Über solche Dinge sprach er sonst nie, mit niemandem. Sogar seinen Brüdern gegenüber hielt er sich bedeckt, was seine Vergangenheit anging – obwohl sie ziemlich genau wussten, was er hatte ausstehen müssen. Während seine Brüder ihre Erziehung und die Jugend in der Oberwelt genossen hatten, hatte Dagan diese Jahre an der Seite seines Vaters in der Unterwelt verbringen müssen. Die Gnade der Erstgeburt – nein, Gnade konnte man das wohl kaum nennen. Dagan dachte nicht gern an jene düstere Zeit zurück. Erst recht wollte er nicht darüber reden.
Roxy hatte abgewartet, ob noch mehr von ihm kommen würde als dieser eine lapidare Satz. Als er nichts hinzufügte, meinte sie: „Mir ging es ähnlich. Zum größten Teil bin ich auch allein aufgewachsen.“
„Erzähl“, forderte er sie auf.
Schweigend schmiegte sie sich dichter an ihn.
„Du hast mir mal erzählt, dass deine Mutter dich verlassen hat, als du fünf warst. Richtig?“
„Das weißt du noch?“ Sie lachte kurz auf. „Schon seltsam. Ich konnte mich selbst lange kaum daran erinnern. Ich hatte nur immer das Gesicht des Officers vor Augen, bei dem ich auf der Polizeiwache gesessen hatte. Er hat mich die ganze Zeit mit Schokowaffeln gefüttert, und seitdem kann ich Schokolade nicht ausstehen. Ich glaube, jeder mag bestimmte Lebensmittel und andere wiederum nicht, weil er positive oder negative Erinnerungen damit verknüpft.“
„Keine Ahnung“, meinte Dagan. „Ich mag Steak. Am liebsten blutig.“
„Kann ich mir vorstellen.“ Roxy atmete tief ein und aus. „Bist du sicher, dass du das alles wissen willst?“ Sie drehte ihm wieder den Rücken zu und rieb sich einladend an ihm.
Dagan war stark versucht, die Einladung anzunehmen. In diesem Augenblick war ihm jedoch wichtiger, ihre Geschichte zu hören. „Du sagst, du konntest dich lange nicht daran erinnern. Ist das inzwischen anders?“
„Ja. Nach und nach habe ich mich erinnert. Und während der letzten Tage, die ich hier auf dem Bett gelegen habe, ist mir immer mehr eingefallen, Momentaufnahmen von damals. Sagt man nicht, dass an einem noch mal das Leben vorbeizieht, wenn man auf der Schwelle zum Tod steht?“ Sanft strich sie seinen Arm entlang, vom Handrücken zur Armbeuge und wieder zurück. Dann beugte sie sich lächelnd vor und verfolgte denselben Weg mit der Zungenspitze.
„Und was hast du gesehen?“
„Das Gesicht meiner
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