Herzflimmern
ich ihn einer unserer Eingeborenenfrauen hier anvertrauen kann.
Es ist ziemlich spät am Abend, Roddy schläft schon. Derry ist im Taita Dorf, um einen Notfall zu betreuen. Ich bin ganz allein im Moment. Unsere kleine Siedlung schläft. Ich bin sehr glücklich. Manchmal frage ich mich, womit ich das verdient habe.
Es ist eigentlich paradox, Derry und ich sind im Grunde wie Nomaden, und doch fühlen wir uns hier so fest verwurzelt wie ein Affenbrotbaum. Wir könnten beide niemals ein ruhiges, beschauliches Leben an einem festen Ort führen – ganz Kenia ist unser Zuhause.
Mickey, bitte gib den Brief an Ruth weiter. Sie denkt bestimmt schon, ich hätte sie vergessen. Schreib mir doch bald einmal, ich möchte hören, wie es Euch geht. Wie schmeckt dir die Ehe? Was machen Ruths Kinder?
Sei umarmt und
kwa heri.‹
Eine kleine Weile blieben sie schweigend sitzen und lauschten dem Pfeifen des kalten Nordwestwinds.
»Und wie läuft deine Praxis?« Ruth drehte sich herum und lehnte sich an den Pfosten des altmodischen Himmelbetts.
»Gut. Am Anfang war mir ein bißchen mulmig so ganz allein und auf mich gestellt, aber jetzt fühle ich mich sehr wohl. Die Praxis ist nicht weit vom Great Victoria. Ich habe zwei Arzthelferinnen und eine Sprechstundenhilfe. Ich habe sehr viel zu tun. Aber du mit deiner Klinik bist mir natürlich weit voraus.«
Als der Supermarkt neben ihrer Praxis schließen mußte, hatte Ruth das Gebäude gekauft und renovieren lassen. Ihre Klinik nahm jetzt das ganze Haus an der Straßenecke ein, hatte alle modernen Einrichtungen einschließlich Röntgenabteilung und Labors, und die Patienten wurden von zwölf Angestellten betreut. Ruth erinnerte sich noch genau an den Tag, als ihr Vater gekommen war, um die neue Klinik zu besichtigen. Es war sein erster und letzter Besuch gewesen, und er hatte nichts weiter gesagt als: »Findest du diese Spezialisierung nicht ein bißchen einseitig?«
Es klopfte zaghaft an die Tür, und ein kleines, herzförmiges Gesicht schob sich durch den Türspalt. Es war die zweieinhalbjährige Leah.
»Mami, ich wollte Tante Mickey Wobbwy geben, damit sie nicht allein schlafen muß.«
Ruth nahm das kleine Mädchen in die Arme. »Das ist lieb von dir, Leah. Tante Mickey schläft bestimmt gern mit Lobbly.« Über ihre Schulter hinweg sagte sie zu Mickey: »Ich leg’ sie gleich wieder hin. Keine Angst, das wird nicht die ganze Nacht so gehen.«
Mickey versicherte, daß es ihr nichts ausmache. Es macht mir wirklich {251} nichts aus, dachte sie, während Ruth mit dem Kind hinaus ging. Im Gegenteil, ich wäre froh, wenn mich nachts ein Kind wecken würde …
Ruth kehrte mit einer Puppe zurück, einem kleinen knautschigen Geschöpf mit vier Armen und zwei Schwänzen. Es war die Nachbildung eines der Geschöpfe, die Jonathan Archers Nachfolgefilm zu
Invaders
bevölkerten.
»Das ist wirklich Ironie des Schicksals«, sagte Ruth und warf die Puppe auf Mickeys Bett. »Jetzt schläfst du mit einem von Jonathans Geschöpfen. Denkst du noch manchmal an ihn?«
»Jetzt nicht mehr. Früher habe ich viel an ihn gedacht. Ab und zu frage ich mich, ob er mir immer noch böse ist, daß ich ihn damals am Glockenturm versetzt habe.«
»Versuchst du nicht manchmal, dir vorzustellen, wie dein Leben sich entwickelt hätte, wenn du hingegangen wärst?« Ruth kehrte zu ihrem Platz im Erker zurück.
»Ruth, kannst du mir helfen?«
»Erzähl mir erst mal, was du bis jetzt unternommen hast.«
Mickey seufzte. »Im vergangenen Februar waren Harrison und ich bei einem Spezialisten in Pearl City. Er meinte, wir dürften eigentlich überhaupt keine Schwierigkeiten haben.«
»Hast du die Unterlagen mit?«
Mickey hob ihre burgunderfarbene Aktentasche hoch, die zwischen den Koffern stand. »Dicker als das Telefonbuch von Manhattan.«
»Und Harrison?«
»Völlig normal. Es steht alles hier drinnen. Das Problem liegt offenbar bei mir.« Mickeys Stimme klang gepreßt. »Aber Dr. Toland hat nichts gefunden.«
Ruth setzte sich wieder zu Mickey aufs Bett. Sie hätte tausend Fragen stellen können, aber sie wußte die Antworten schon. Mickeys Haltung, die Bewegungen ihrer Hände, die Niedergeschlagenheit in ihrer Stimme sagten ihr alles.
»Habt ihr mal an Adoption gedacht?«
»Das ist nicht das gleiche, Ruth. Das Kind einer anderen Frau. Ich möchte es selber erleben, ich möchte wissen, wie es ist, ein Kind zu gebären. Und ich möchte, daß Harrison wieder einen Sohn bekommt. Kannst du mir helfen?«
Da
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