Herzflimmern
sein«, sagte Ruth. »Sie sind unheimlich aufgedreht, weil du da bist.« Sie ging durch das Gästezimmer zum Fenster und setzte sich auf die Bank des kleinen Erkers. »Beth ist hingerissen von dir. Sie schwärmt zur Zeit für alte Filme und behauptet, du sähst aus wie Grace Kelly.«
Mickey schüttelte lachend den Kopf und fing an, ihren Koffer auszupacken. Auch für sie war es ein aufregender Abend gewesen, voll lärmender Lebendigkeit, wie sie sie nie erlebte. In dem ganzen Krach und wilden Durcheinander hatte dennoch Ordnung geherrscht: im Gänsemarsch die Treppe hinauf, um die Schulbücher zu verstauen, Umziehen, große Versammlung am offenen Kamin, wo es warme Milch und Kekse gab. Dann die täglichen Arbeiten: Die Zwillinge fütterten die Tiere; Rachel deckte den Tisch; Beth bereitete das Abendessen vor. Ruth hing über eine Stunde oben am Telefon, Arnie setzte sich unten vor den Fernseher und schaute sich die Nachrichten an. Die Kleinen – Sarah, Leah und Figgy, Beths kleines Mädchen – belegten Mickey mit Beschlag.
Beim Abendessen redete alles munter durcheinander, die Kleinen krähten, Arme griffen über den Tisch, ein Glas Milch kippte um, unter dem Tisch wippende Beine verteilten Fußtritte. Dann wurde das Geschirr gespült und getrocknet, der Boden gewischt, die Kleinen gebadet und an den Kamin gesetzt, die Tiere hinaus- und wieder hereingelassen, Ruth hing wieder am Telefon und Arnie versteckte sich hinter dem Sportteil der Zeitung, während Mickey von den Kindern belagert wurde.
Jetzt endlich, während sie ihren Koffer auspackte und Ruth ihr von ihrem Fensterplatz aus dabei zusah, kam das Haus langsam zur Ruhe. Arnie saß unten und sah sich die Spätnachrichten an, und die Mädchen versuchten krampfhaft, ja nicht einzuschlafen.
»Sie werden bald schlafen wie die Murmeltiere«, versicherte Ruth. »Sie sind todmüde.«
Mickey legte ihre gefalteten Sachen in die Kommode und dachte an die {249} stillen Räume von Pukula Hau. Wie ein Museum erschien ihr Pukula Hau im Vergleich mit diesem Haus; ein Museum mit glänzenden Böden, antiken Möbeln und Dienstboten, die lautlos hin und her eilten.
Während Ruth der Freundin beim Auspacken zusah, dachte sie an den strahlenden Februartag vor beinahe zwei Jahren zurück. War das eine Aufregung gewesen! Drei hektische Tage in Hawaii, zusammen mit Sondra und Mickey. Den Flug erster Klasse nach Honolulu hatte Mickey bezahlt; dort hatte sie Harrison Butlers Privatjet abgeholt und nach Lanai gebracht. Mickey hatte sie vor dem Portal eines alten Herrenhauses im Kolonialstil erwartet. Die drei Freundinnen verbrachten herrliche Tage miteinander, angefüllt mit Erinnerungen und langen Gesprächen, Gelächter und auch Tränen. Gemeinsam hatten sie vor dem Altar unter einem Baldachin aus tropischen Blüten und Palmen gestanden, Mickey an Harrisons Seite, Ruth und Sondra, die Brautjungfern, hinter ihnen. Anschließend der traumhafte Empfang mit Hunderten von Gästen, Musik und Champagner unter einem sternübersäten Tropenhimmel Mickey und Harrison hatten den ersten Tanz allein getanzt, und während sie sich auf der Terrasse drehten, regnete es aus einem Hubschrauber über ihnen Hunderte schneeweißer Orchideen auf sie herab.
»Und?« sagte Mickey. »Habt ihr von der Eruption am Mount St. Helen viel mitbekommen?«
»Überhaupt nichts. Kein Stäubchen. Das ist alles nach Idaho geblasen worden.«
»Ach«, sagte Mickey, sich aufrichtend. »Hier ist was für dich.« Sie hielt Ruth einen dicken Luftpostumschlag hin. »Von Sondra.«
Ruth stand auf. »Ich hab’ ewig nichts von ihr gehört.«
Sie setzten sich nebeneinander auf das Bett und studierten mit gesenkten Köpfen die Fotografie. Sondra und Derry mit strahlenden Gesichtern, in Sondras Armen ein kleines Bündel.
»Mensch, schau dir diesen Mann an«, murmelte Ruth. »Einfach Klasse!«
Aber Mickey starrte auf das rosige Gesichtchen des zwei Monate alten Roddy. ›Wir haben ihn nach Derry genannt‹, hatte Sondra auf die Rückseite des Bildes geschrieben, ›der eigentlich Roderick heißt. Aber wir nennen ihn Roddy, damit wir Vater und Sohn auseinanderhalten können.‹
›Liebe Mickey, tut mir leid, daß ich so lange nicht geschrieben habe. Es ist einiges passiert, wie Du sehen kannst. Im Augenblick macht Roddy noch ziemlich viel Arbeit, aber ich bin selig. Der einzige Nachteil ist, daß ich nicht mit Derry auf Runde fahren kann. Aber das wird ja bald wieder {250} kommen, wenn Roddy ein bißchen größer ist, und
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