Herzflimmern
Pfropfen entfernen lassen. Und dann gab es, wie er ihr im Krankenhaus gesagt hatte, keinen Grund mehr, warum sie nicht sofort schwanger werden sollte.
Dennoch hielt sie die Hoffnung zurück. Keine Träume jetzt. Vorsicht war besser; die Gefühle im Zaum halten. Harrison hatte sie noch nichts gesagt; sie wollte es ihm in Ruhe erzählen.
»Du weißt natürlich«, fuhr Ruth fort, »daß es keine Garantien gibt.«
Sie hatten den Bach am Ende des Grundstücks erreicht und fanden einen mit Tannennadeln bedeckten Steinbrocken, auf dem sie sich niedersetzten. Das Licht der Wintersonne fiel durch das Gewirr der Äste und spielte auf ihren Gesichtern.
»Garantien gibt es nie, Mickey, das weißt du. Aber ich kann dir versichern, daß wir unser Bestes getan haben, und ich glaube, du kannst dir berechtigte Hoffnungen machen.« Sie griff in die Tasche ihres Mantels und nahm ein kleines Päckchen heraus. »Ich möchte dir das hier schenken, Mickey.«
Auf ihrer offenen Hand lag ein kleines Kästchen mit einer Schnur darum. Mickey nahm es und öffnete es. Auf weißem Seidenpapier lag ein blaugrüner Stein, ein Türkis, etwa von der Größe eines Silberdollars.
»Er ist sehr alt, Mickey. Eine Patientin hat ihn mir letztes Jahr geschenkt; eine Frau, die Toxämie hatte und beinahe ihr Kind verloren hätte. Der Stein bringt der Trägerin Glück, aber er tut seine Wirkung nur einmal. Wenn das Glück aufgebraucht ist, sagte sie mir, verblaßt der Stein.«
Mickey betrachtete ihn. In der Mitte hatte er eine merkwürdige Maserung, die auf den ersten Blick aussah wie eine Frau mit ausgestreckten Armen; bei genauerem Hinsehen jedoch wie ein Baum, an dem sich zwei Schlangen emporwanden. Auf der Rückseite war eine Fassung aus gelbem Metall und eine Inschrift in einer fremdartigen Schrift, zu verwischt, um noch leserlich zu sein.
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»Er war blaß, als sie ihn mir gab, Mickey. Aber jetzt ist er leuchtend blau.«
»Dann hast du das Glück nicht verbraucht, Ruth.«
»Ich habe Glück genug. Nimm du ihn.« Ruth schloß Mickeys Finger um den Stein. »Trag ihn in deiner ersten Nacht wieder mit Harrison.«
Sie lachten beide unter Tränen.
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30
Sondra griff in den alten Sterilisator, holte das heiße Ei heraus und schlug es an der Wand auf. Es war sehr hart gekocht. Das bedeutete, daß die Instrumente steril waren. Nachdem sie die altmodischen Gummihandschuhe übergezogen hatte, nahm sie die Platte mit den dampfenden Instrumenten heraus und trug sie zum Operationstisch.
Es war ein herrlicher Junitag; die Fenster des Operationsraums waren geöffnet, um den sanften Wind einzulassen – eine Todsünde in einem ›richtigen‹ Krankenhaus –, und der Deckenventilator, der die Fliegen dem Operationsfeld fernhalten sollte, drehte sich träge.
Sondra arbeitete allein. Auf dem Operationstisch lag ein alter Taita mit einer hochentzündeten Wunde am Arm, die gereinigt werden mußte.
Ihre alten Freunde aus früherer Zeit hätten die Frau in der kurzen Hose und dem ärmellosen Kittel vermutlich nicht wiedererkannt. Sondras Haut hatte den gleichen dunklen Braunton wie die vieler Eingeborener, und ihr Haar trug sie hochgesteckt unter einem farbenprächtigen afrikanischen Tuch. Ihr Suaheli als sie den alten Mann auf dem Operationstisch ansprach, war beinahe fehlerlos.
»So,
mzee
, ein bißchen Saft vom Geist des Schlafs, damit der Arm einschläft.«
Als sie ein paar Minuten später das Brummen der Cessna hörte, die im Tiefflug über die Landebahn sauste, um die Tiere zu verscheuchen, sah sie lächelnd auf. Und Sie, Dr. Farrar, dachte sie, werden sich heute nachmittag hinlegen, und wenn ich Sie ans Bett fesseln muß.
Derry, der arme, war ständig unterwegs. Wenn er nicht Medikamente zu fernen Außenstellen brachte, die schwer unter der Dürre litten, half er den Regierungsmannschaften bei der Säuberung malariaverseuchter Gebiete. Kaum eine Minute hatte er für sich.
»Wenn wir auf den Seychellen sind, kann ich tagelang faulenzen«, meinte er jedesmal, wenn sie ihm Vorhaltungen machte. Sie wollten dort auf den Inseln ihren ersten richtigen Urlaub verbringen.
Aus irgendeinem Grund hatte sie die Vorstellung gehabt, wenn man einmal eine Weile verheiratet war, würde man einander müde werden; die Flitterwochen würden vorübergehen und einem mehr oder weniger freundlichen Alltag Platz machen. Bei ihr und Derry war es nicht so {268} gekommen, würde niemals so werden. Nun waren sie schon mehr als elf Jahre verheiratet, und immer noch
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