Herzflimmern
Spalte ›Fragen Sie Dr. Ruth‹ nennen.«
»Was? Sie wollen mich haben?«
»Sie müssen in Ihrer Praxis ständig Fragen beantworten, Ruth, und viele sind wahrscheinlich die gleichen Fragen, die Dr. Chapman gestellt werden. Die allgemeine Unwissenheit ist unvorstellbar.«
»Das brauchen Sie mir nicht zu sagen.«
»Dr. Chapman bekommt viele Briefe zu der Kontroverse über die Östrogentherapie, Briefe von Frauen, die angefangen haben, Sport zu treiben und wissen möchten, wie sich das auf ihren Körper auswirken kann. Andere wollen wieder das Neueste über Drogen und Operationsverfahren wissen. Was sagen Sie dazu, Ruth? Hätten Sie Lust? Die Kolumne erscheint nur einmal in der Woche. Wir geben Ihnen in der Redaktion einen Schreibtisch und eine Assistentin. Das Honorar ist bescheiden, aber es könnte doch ganz lustig sein.«
Mickey sah den Funken in Ruths Auge, die plötzliche Erregung, die eifrige Bereitschaft noch ein Projekt zu übernehmen, noch mehr Verantwortung. Und Mickey dachte: Sie muß verrückt sein, wenn sie es annimmt.
Ruth hingegen dachte an ihren Vater. Eine medizinische Spalte in einer Zeitung. Da würde er beim besten Willen nicht behaupten können, sie arbeite einseitig.
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Mickey sah lächelnd zu der Narkoseschwester auf, einer hübschen jungen Frau mit großen blauen Augen.
»Wenn ich Ihnen das Pentothal gebe, Doktor, zählen Sie bitte von hundert nach rückwärts«, sagte die Schwester, während sie den Tropf öffnete, der in Mickeys Arm führte. »Und wenn Sie bis achtzig kommen, gewinnen Sie eine Reise nach Hawaii.«
»Da komme ich doch her«, entgegnete Mickey benommen.
»Dann eben zum Nordpol.« Sie drehte sich auf ihrem Stuhl um. »Wir sind soweit, Dr. Shapiro.«
Ruth, die hinter dem Tisch gestanden und die Instrumente geprüft hatte, trat an Mickeys Seite und nahm ihre Hand. »Träum was Schönes«, sagte sie durch ihren Mundschutz hindurch.
Mickey versuchte, ihre Finger um Ruths Hand zu legen, ihre Lider fielen herab, und im Mund lag ihr der Knoblauchgeschmack, der ihr sagte, daß das Pentothal in ihre Blutbahn eingedrungen war.
»Einhundert«, flüsterte sie, »neunundneunzig, achtundneunzig, sieben- undneunzig … siebenundneunzig … sieben …«
Die Narkoseschwester zog Mickeys Lider hoch, nickte Ruth zu und murmelte: »Sie schaffen’s nie auch nur bis fünfundneunzig.«
Joe Selbie arbeitete mit der Assistenz der Operationsschwester. Die Instrumente wurden durch die Vagina eingeführt – ein Tenakel zum Manipulieren des Uterus, eine Kanüle zum Einspritzen des Farbstoffs. Dr. Selbie machte neben dem Nabel einen kleinen Schnitt, durch den ein Trokar eingeführt wurde. Direkt am Ansatz des Schamhaars setzte er die Insufflationsnadel ein, durch die Kohlendioxid gepumpt wurde, um die Bauchdecke anzuheben.
Während Mickeys Bauch langsam anschwoll, sprach Ruth, die knapp außerhalb des keimfreien Feldes stand, ein stummes Gebet.
Nach der Insufflation führte Selbie das Spezialmikroskop ein und drückte sein Auge auf das Okular, während die Operationsschwester mit den Instrumenten bereitstand.
»Sieht normal aus«, murmelte Selbie nach einer Weile. »Keine Verwachsungen. Keine Endometriose. Keine Vernarbungen. Eine Anatomie wie aus dem Lehrbuch.«
Selbie hob den Kopf. »Okay, Doris«, sagte er zur Operationsschwester. »Methylenblau jetzt.«
Mit einer großen Plastikspritze voll violetten Farbstoffs stellte sich die Operationsschwester zwischen Mickeys hochliegende Beine. Sie schloß den Plastikschlauch der Spritze an die Metallkanüle an und begann mit Selbies Signal, langsam den Stempel zu drücken.
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Ruth spürte, wie sie sich innerlich verkrampfte, während sie auf Joe Selbies gekrümmten Rücken starrte. Das Auge auf das Okular gedrückt, wartete er auf den Farbstoff, der seinen Weg durch den Uterus und die beiden Eileiter nehmen und schließlich durch die Fimbrien austreten würde, um sich dann völlig harmlos im Körper zu verteilen.
Joe Selbie schüttelte den Kopf. »Normal, Ruth. Keinerlei Blockaden.« Er richtete sich auf und lächelte beinahe entschuldigend. »Ihre Eileiter scheinen völlig in Ordnung zu sein.«
Zorn sprang in Ruth hoch, ein Zorn, der aus Enttäuschung und Anspannung geboren war. Aber er verging rasch, als sie zum Tisch trat, um selber durch das Okular zu schauen.
Wieder drückte die Operationsschwester auf den Stempel, und einen Augenblick später sah Ruth die tiefblaue Flüssigkeit aus den Enden der Eileiter
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