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Herzflimmern

Herzflimmern

Titel: Herzflimmern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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Rollbahn heraus.
    »Wie geht es ihm?« fragte Derry.
    »Er schläft. Ich hab’ ihm was gegeben.«
    Derry umarmte sie. »Halt mir das Abendessen warm.«
    »Ich mach’ mir Sorgen um dich, Derry. Du überforderst dich.«
    »Warte nur, bis wir auf den Seychellen sind.«
    {272}
    Sie trat zurück und beschattete die Augen mit der Hand, als der Propeller sich zu drehen begann und die Maschine sich in Bewegung setzte. Derry rollte bis zum Ende der Bahn, drehte, winkte Sondra noch einmal zu und gab Gas.
    In einem Wirbel aus Lärm und Staub sauste er holpernd und wackelnd an ihr vorbei. Sondra winkte mit beiden Armen, während die Cessna Tempo zulegte. Bei einer Geschwindigkeit von fast 120 Kilometern pro Stunde riß Derry den Knüppel zurück. Sondra hatte den Schatten noch vor ihm gesehen, einen schwarzen Buckel, der sich, vom Getöse der Maschine aus tiefem Schlaf gerissen, mit einem Sprung auf vier Beine erhob. Das linke Rad des Fahrwerks ergriff die Hyäne und schleuderte sie von der Bahn. Die Maschine kippte zur Seite, ihre linke Tragfläche stieß auf dem Boden auf, sie taumelte und drehte sich, dann krachte sie zu Boden und ging mit einem Knall in Flammen auf.
    Einen Moment war Sondra wie erstarrt vor Entsetzen, dann begann sie zu laufen. »Derry!« schrie sie laut. »Derry!«

31
    Arnie ertappte sich dabei, daß er wieder nach ihr Ausschau hielt. Er wollte es nicht, aber er konnte nicht anders.
    Es hatte ganz harmlos angefangen. Wenn man jeden Morgen dieselbe Fähre nimmt, werden einem die Stammfahrgäste vertraut, ob man will oder nicht; die Leute, denen man jeden Tag zunickt, mit denen man ein paar Bemerkungen über das Wetter tauscht, deren Namen man jedoch niemals erfährt. Bei der jungen Frau war es nicht anders gewesen; er hatte sie vor ungefähr sechs Monaten das erste Mal auf der Fähre nach Seattle gesehen. Sie war die Rampe heruntergekommen und hatte sich ins Raucherabteil gesetzt und während der halbstündigen Fahrt den
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gelesen. Arnie hatte nicht weiter auf sie geachtet. Er war genau wie die anderen Pendler mit Gedanken an den bevorstehenden Tag beschäftigt, mit Terminen und Klienten, bis ihm eines Tages aufgefallen war, daß sie ihn unverwandt anschaute. Das heißt, es war durchaus möglich, daß er damit angefangen hatte; er hatte völlig geistesabwesend in ihre Richtung gesehen. Wie einem das manchmal mit wildfremden Menschen so geht: Man schaut sie ohne jeden Grund an, ohne sie eigentlich wahrzunehmen, und dann merkt es der andere.
    Das war vor einigen Wochen gewesen, und seitdem spielten sie das Spiel jeden Morgen und jeden Abend.
    {273}
    Arnie spürte, wie er neugierig wurde. Wer war sie? Was hatte sie in Seattle zu tun? Er sagte sich, sie müsse Sekretärin sein oder in einem Büro arbeiten; sie war immer gut angezogen, aber sie hatte nichts von der gestylten Aufmachung der Karrierefrauen an sich, die man auf der Fähre sah. Wohnte sie auf Bainbridge Island oder fuhr sie von Suquamish oder Kitsap herüber? Sie sah nämlich so aus, als könnte sie in dem Reservat dort leben. Die meisten Indianer, die man auf der Fähre traf, wohnten dort.
    Sie war sehr schön. Ein kupferbraunes Gesicht, das von langem schwarzen Haar umrahmt war; ein Gesicht, das unschuldig war und zugleich von einer lockenden Exotik. Sie mußte etwa fünf- oder sechsundzwanzig sein. Sie war klein und zierlich und wirkte schüchtern, aber Arnie glaubte nicht, daß sie es war. Denn die großen rehbraunen Augen mit den langen Wimpern hatten einen Audruck, der ihn vermuten ließ, daß sie eine mutige und tapfere Frau war.
    Und an diesem unvergleichlichen Morgen also, als die Sonne rosig über Seattles Nebelbänken aufstieg, das Wasser tiefblau leuchtete und die ferne Stadt verwischt durch graue Schleier schimmerte, an diesem Morgen, der noch alle Möglichkeiten eines neuen Tages barg, stieg Arnie Roth aus seinem Kombi und ertappte sich wieder einmal dabei, daß er nach ihr Ausschau hielt.
    Er sah auf seine Uhr. Die Zeit begann in seinem Leben eine immer größere Rolle zu spielen, und er war sich dessen bewußt. Wenn man mit den Gedanken daran erwacht, wie rasend schnell die Jahre vorbeigerauscht sind, einem die Zeit zwischen den Fingern zerrinnt, wenn einen plötzlich die Vorstellung verfolgt, daß man ein Drittel seines Lebens verschläft, dann weiß man, daß man in einer Krise steckt. Wann hatte diese Fixierung auf die Zeit begonnen? An seinem letzten Geburtstag, seinem acht- undvierzigsten. Er hatte die Kerzen

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