Herzflimmern
erkennen. Sie hatten sich gerade mit ihrem Kaffee gesetzt gehabt, als er ausgerufen worden war.
Was war das nur für ein komisches Gefühl, das ihr so zusetzte?
Die Operation hatte fünf Stunden gedauert, und als sie im Aufzug ins Erdgeschoß hinuntergefahren waren, hatte Rick ihr gesagt, Tommy hätte die besten Chancen, wieder ganz gesund zu werden. »Kinder haben eine erstaunliche Kraft und erholen sich schnell.«
»Besteht die Gefahr, daß die Zyste wiederkommt?« hatte sie gefragt.
»Nein, das glaube ich nicht. Ich glaube, wir haben wirklich alles erwischt. Der Druck ist wieder normal; in ein paar Wochen müßte eigentlich die volle Koordination der Muskelbewegungen wiederhergestellt sein.«
»Muß er bestrahlt werden?«
»Nein, zum Glück nicht.«
Ja, Tommy hatte großes Glück gehabt. Es war ein schwieriger Fall gewesen, jedoch mit glücklichem Ausgang. Woher kam dann dieses seltsame Gefühl, das sie bedrängte?
Wieder sah sie zu Rick hinüber. Er war ein attraktiver Mann, das ließ sich nicht leugnen. Und sie fühlte sich zu ihm hingezogen. War das das unerklärliche Gefühl, das sie jetzt quälte und Unbehagen in ihr auslöste? War es die Angst vor einer möglichen Beziehung zu einem Mann und den damit verbundenen Komplikationen? Es gab schließlich keinen Zweifel daran, daß das Studium einen voll in Anspruch nahm, ungeteilte Aufmerksamkeit und Entschlossenheit verlangte. Sondra wußte, daß Ruth schon mehrere Freunde gehabt hatte – einen festen Freund in der
high school
und dann eine Reihe kurzer ›Begegnungen‹, wie sie es nannte, auf dem College. Und jetzt hatte sie sich mit Steve Schonfeld angefreundet, dem Studenten im vierten Jahr, den sie am vergangenen Abend bei Gilhooley’s getroffen hatten. Ruth war erst zweimal mit ihm ausgewesen, sie hatte offen gesagt, daß sie gern mit ihm schlafen würde, aber gleichzeitig gelang es ihr, all die Komplikationen zu vermeiden, die mit einer neuen Beziehung einhergingen.
{50}
Sondra beneidete Ruth um den inneren Abstand, um das fertigzubringen. Sie wußte, daß sie selber niemals so sein könnte. Sie liebte entweder mit Leidenschaft oder gar nicht; ein bequemes Mittelding gab es für sie nicht. Sie konnte nicht mit einem Mann Zärtlichkeiten tauschen und innerlich unverbindlich bleiben, das wußte sie. Und das war auch der Grund, weshalb sie nie einen richtigen Freund gehabt hatte, weshalb sie zwar viele männliche Freunde, aber niemals einen Liebhaber gehabt hatte. Um ihr Berufsziel zu verwirklichen, mußte sie frei bleiben. Es war schließlich kein Verbrechen, mit zweiundzwanzig noch unberührt zu sein, auch wenn einige ihrer Freundinnen in Phoenix da entschieden anderer Meinung waren. Wenn sie erst einmal fertige Ärztin war und ihr Betätigungsfeld gefunden hatte, war noch Zeit genug, den richtigen Mann zu finden und sich tiefe Gefühle zu gestatten.
»Entschuldigen Sie«, sagte Rick und setzte sich neben sie. »Ein Notruf von meinem Börsenmakler.«
Sondra bemühte sich, sein Lächeln zu erwidern. Die Kopfschmerzen begannen nachzulassen, aber das seltsame Gefühl hielt weiter an.
Rick rührte einen Moment lang schweigend seinen Kaffee um, allem Anschein nach tief in Gedanken. Doch schließlich sah er auf und sagte: »Das hat Sie umgehauen, nicht wahr?«
Sie sah ihn verblüfft an. »Wie bitte?«
»Die Operation. Die hat Sie umgehauen. Ich seh’s Ihnen an!«
Sondra blickte ihm forschend in die Augen und langsam begann sie, etwas zu begreifen – etwas über sich selbst, das er, ein Fremder, mit ein paar schnoddrigen Worten zusammengefaßt hatte, was sie selbst nicht hatte fassen können.
Die Operation hat Sie umgehauen. Natürlich. Das war es. Dieses unerklärliche Unbehagen, das sie plagte, seit sie wieder in ihre Straßenkleidung geschlüpft war. Mit Liebe und mit Rick Parsons hatte das überhaupt nichts zu tun; auch nicht mit ihren Ängsten vor Beziehung und Verbindlichkeit. Es ging tiefer. Es war eine tiefe Erschütterung, eine Art ehrfürchtiges Staunen, das sie unbestimmt gespürt aber nicht hatte benennen können. Mit Ricks nonchalanten Worten war es ihr mit einem Schlag bewußt geworden. Zum erstenmal begriff sie, worum es eigentlich ging.
»Mir ist es genauso gegangen«, sagte Rick ruhig. »Aber ich war damals noch nicht im Studium. Ich war auf der
high school,
und mein Vater, der Chirurg ist, hatte mich eines Tages in den OP mitgenommen. Es war eine einfache Gallenoperation, aber sie hatte genau die gleiche Wirkung. Mir
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