Herzflimmern
ließ nicht locker, und Mickey fühlte sich ihr tief verpflichtet.
Vor vier Wochen, gleich nach den Zwischenprüfungen, war Mickey eines Tages in der Küche ohnmächtig geworden. Nur Sondra war zu Hause gewesen. Es war nur ein kurzer Ohnmachtsanfall, nichts Ernstes, aber er erschreckte sie beide. Als Sondra dann den Grund für den Schwächeanfall {53} erfuhr – daß Mickey Blut spendete und meistens auf ihr Mittagessen verzichtete, um Geld zu sparen –, fragte sie Mickey hell empört, ob sie denn von ihren Freundinnen so wenig hielte, daß sie überhaupt nicht daran gedacht hatte, sie um Hilfe zu bitten. Es sei doch selbstverständlich, daß sie ihr helfen würden, die Kosten für das Pflegeheim mitzutragen; sie selber, meinte Sondra, könne sich das ohne weiteres leisten, und Ruth würde gewiß auch helfen wollen. Nachdem Ruth die Geschichte später gehört hatte, erbot sie sich sofort, einen größeren Anteil der Haushaltskosten zu übernehmen.
Mickey ging es nach diesem Gespräch sofort viel besser. Sie hörte auf, Blut zu spenden, begann wieder richtig zu essen und fuhr am folgenden Wochenende gleich mit einem großen Blumenstrauß zu ihrer Mutter. Aber die kleine Episode, die für Mickey die Rettung aus tiefer Verzweiflung bedeutet hatte, hatte auch noch eine andere Wirkung. Sie hatte Mickey gezeigt, daß sie zum erstenmal in ihrem Leben echte Freunde hatte, auf die sie sich verlassen konnte.
Gerade aus diesem Grund wollte Mickey Sondra, die so versessen darauf schien, sie auf die Silvesterfeier mitzuschleppen, nicht enttäuschen.
»Geht Ruth auch?« fragte sie, das Gesicht dicht am Spiegel, um sich zu vergewissern, daß von dem Mal nichts mehr zu sehen war.
Sondra stemmte die Hände in die Hüften und schüttelte den Kopf. Diese beiden! Die eine hatte Angst vor dem Leben, die andere sah nur noch ihre Bücher. Der letzte Tag im alten Jahr, und was tat Ruth Shapiro? Sie lernte; lernte für einen Kurs, der noch nicht einmal begonnen hatte.
»Ich hab sie schon den ganzen Tag bekniet. Und ich krieg sie auch noch rum, warte nur!«
Sondra freute sich auf das Fest. Sie wußte, daß Rick Parsons kommen würde. Seit dem Morgen im Operationssaal hatten sie sich nur zweimal gesehen. Einmal am Abend desselben Tages, als Rick Sondra impulsiv in ein italienisches Restaurant eingeladen hatte, wo sie endlos debattiert hatten, denn Rick war entschlossen, Sondra von Afrika abzubringen und für die Neurochirurgie zu gewinnen. Er hatte sie an diesem Abend nicht überzeugen können und zwei Wochen später einen neuen Anlauf genommen, als er sie im Krankenhaus getroffen und kurzerhand zum Mittagessen eingeladen hatte. Er besaß eine sehr starke Ausstrahlung, und es war schwer, ihm zu widerstehen. Sein Argument, daß es hier zu Hause mehr als genug für tüchtige Ärzte zu tun gäbe, hatte Sondra in ihrem Entschluß, nach Afrika zu gehen tatsächlich schon ein wenig schwankend gemacht.
Doch Sondra war sich klar darüber, daß nicht nur seine Argumente auf {54} sie wirkten, sondern vor allem seine Persönlichkeit. Zum erstenmal in ihrem Leben war sie einem Mann begegnet, zu dem sie sich sehr stark hingezogen fühlte, und sie fragte sich, ob sie es an diesem Abend wagen würde, ihren Gefühlen freien Lauf zu lassen.
Ruth hockte in ihrem Zimmer auf dem Bett und tat gar nichts, weil sie nicht wußte, was sie tun sollte. Sondra mochte ihre Witze darüber machen, aber Ruth fand nichts Komisches dabei, sich auf einen Kurs vorzubereiten, der noch gar nicht angefangen hatte. Nur so hatte Ruth es schließlich geschafft, bei den Zwischenprüfungen so gut abzuschneiden. Sie war jetzt Zwölfte ihres Jahrgangs. Unter vierundachtzig Studenten hielt sie den zwölften Platz; ihre beiden Freundinnen standen an neunzehnter und sechsundzwanzigster Stelle. Sie befanden sich im oberen Drittel, und das reichte ihnen. Ruth jedoch war es nicht genug. Während die anderen drüben bei Gilhooley’s ihren Erfolg gefeiert oder ihre Enttäuschung im Alkohol ertränkt hatten, hatte Ruth schon wieder zu Hause über den Büchern gesessen.
In der ersten Freude über ihre guten Noten hätte sie beinahe zu Hause angerufen, aber dann hatte sie den Hörer wieder aufgelegt. Sie wußte genau, was Vater gesagt hätte. »Was? Zwölfte bist du? Und wieviele sind in deinem Jahrgang, Ruthie? Zwölf?« Ihm würde das nicht genügen, das wußte sie. Mike Shapiro konnte man nur mit absoluten Bestleistungen beeindrucken, wie sie Joshua in West Point und Max an der
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