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Herzflimmern

Herzflimmern

Titel: Herzflimmern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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gingen sozusagen mit einem Schlag sämtliche Lichter auf.«
    {51}
    Sondra fühlte sich von einer merkwürdigen Leichtigkeit emporgehoben, die Kopfschmerzen waren weg. Am liebsten hätte sie lauthals geschrien, Ja! Ja! So ist es. Statt dessen verschränkte sie die Arme und beugte sich weit über den Tisch.
    »Können Sie sich vorstellen«, sagte sie ernsthaft, »daß ich bis zu diesem Moment felsenfest davon überzeugt war, die eifrigste und hingebungsvollste Medizinstudentin der Welt zu sein? Ich bildete mir allen Ernstes ein, den Ruf vernommen zu haben. In gewisser Weise stimmte es auch. Aber es war nichts im Vergleich zu dem, was ich heute erlebt habe.« Sie lehnte sich zurück und breitete die Arme aus. »Es hat mich, wie Sie gesagt haben, völlig umgehauen.«
    »Wenn man das erstemal eine Operation miterlebt hat, hat man hinterher entweder ein für allemal die Nase voll – und das kommt oft vor, glauben Sie mir –, oder es packt einen mit Haut und Haar. Deshalb wollte ich gern, daß Sie kommen und zusehen. Nichts kann so überzeugen wie eigene Erfahrung.«
    Er hat recht, dachte Sondra. An diesem langen Vormittag im Operationssaal hatte sie eine erste Ahnung davon bekommen, was der Kampf um das Leben bedeutete. Einem Kind wie Tommy, das zum Tode verurteilt schien, das Leben wiedergeben, den Eltern ihr Kind wiedergeben zu können – nur darum war es an diesem Morgen voller Hektik und scheinbar menschenverachtender Wissenschaftlichkeit und Sachlichkeit gegangen.
    »Im Operationssaal erlebt man es wirklich«, fuhr Rick fort, als hätte er ihre Gedanken gelesen. »Natürlich sieht man in der Notaufnahme oft Dramatisches, und eine Geburt ist etwas Wunderbares. Aber Leben
gerettet
wird im Operationssaal. Wir Chirurgen geben den Kranken und Schwerverletzten, die man uns bringt, gewissermaßen eine zweite Chance. Wir flicken die kaputten Körper wieder zusammen und schicken die Leute heil wieder nach Hause. Es ist ein wahnsinniges Gefühl, Sondra, ein einzigartiges. Ich glaube, es wäre auch für Sie die richtige Laufbahn.«
    Sie schüttelte verneinend den Kopf. Es mochte Rick gelungen sein, das Gefühl zu benennen, das sie aus dem Operationssaal mitgenommen hatte, doch wenn er sie zur zukünftigen Chirurgin berufen sah, so täuschte er sich. Das Erlebnis im Operationssaal hatte keinen solchen Ehrgeiz in ihr geweckt; es hatte sie jedoch in ihrem Verlangen bestärkt, in die Welt hinauszugehen und das, was sie gelernt hatte, dorthin zu tragen, wo es am meisten gebraucht wurde. Der kleine Tommy gehörte zu den Glücklichen, denen moderne Krankenhäuser und gut ausgebildete Ärzte {52} zur Verfügung standen, was aber war mit all den anderen, den Millionen Kranken und Leidenden, die diese Chancen nicht hatten. Wie stand es um die Menschen, zu denen vielleicht auch ihre leiblichen Eltern gehört hatten – um die Armen, die Schwachen, die, welche ohne Hoffnung waren?
    Sondra hatte jahrelang gewußt, daß sie Medizin studieren würde, doch so laut und drängend wie an diesem Tag hatte sie den Ruf nie vernommen. Das Gefühl war so überwältigend wie jenes, das sie überkommen hatte, als sie mit zwölf Jahren die Wahrheit über sich selber entdeckt hatte. Der Tag mit Rick Parsons hatte sie in ihrer Zielsetzung bestätigt und bestärkt. Es hatte ihr die letzte Sicherheit gegeben.

7
    Mickey verspürte nicht das geringste Verlangen, an diesem Abend auf ein Fest zu gehen.
    »Aber es tut dir bestimmt gut«, widersprach Sondra, die bei ihr im Bad stand und zusah, wie sie eine frische Lage Make-up auf ihre Wange auftrug. »Du führst ein Leben wie eine Nonne, Mickey. Du hast praktisch mit niemandem, außer mir und Ruth, Kontakt.«
    »Ich brauche keine anderen Leute.«
    »Ach, du weißt genau, was ich meine.«
    Ja, natürlich wußte Mickey das. Sondra meinte, sie solle mehr unter Menschen gehen, das Gespräch und die Berührung mit anderen suchen. Aber Sondra hatte leicht reden; sie war von Natur aus kontaktfreudig und brauchte wegen ihres Aussehens keine Hemmungen zu haben. Und mit Ruth war es nicht viel anders; sie war selbstsicher und hatte im Umgang mit Menschen überhaupt keine Schwierigkeiten. Die beiden hatten keine Vorstellung davon, was es bedeutete, mit einem verunstalteten Gesicht durchs Leben gehen zu müssen. Allein der Gedanke an die Silvesterfeier an diesem Abend lähmte Mickey; sie brauchte sich nur die vielen Menschen vorzustellen, die neugierigen Blicke, die Verlegenheit und das Mitleid der Leute.
    Aber Sondra

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