Herzflimmern
sorgfältig darauf achtete, daß das Wasser an den Ellbogen ablief. Die Hände erhoben, trat er vom Becken weg.
»Lassen Sie doch Parsons’ Fall sausen«, meinte er. »Ich hab Ihnen was viel Interessanteres zu bieten. Haben Sie schon mal eine Operation am Zehenballen gesehen?«
Sondra lachte wieder, war aber erleichtert, als sie Rick kommen sah.
»Sanford, du alter Lustmolch«, sagte Rick und schlug dem Kollegen auf den Rücken. »Aufs Süßholzraspeln verstehst du dich, wie?«
»Wer ist die Dame, Rick. Schwester bei euch?«
»Sondra Mallone, darf ich Sie mit Sanford Jones bekanntmachen, seines Zeichens Orthopäde. Sanford, das ist Sondra. Sie studiert Medizin.«
Jones blinzelte etwas verwirrt, wurde rot und ergriff die Flucht. Rick lehnte sich mit verschränkten Armen an das Waschbecken.
»Manche von den Burschen gehen auf die Schwestern los wie der Teufel auf die arme Seele. Sie halten sie aus irgendeinem Grund alle für Freiwild. Aber bei Kolleginnen bekommen sie sofort kalte Füße.« Er schwieg einen Moment. »Schön, daß Sie gekommen sind.«
»Ich hab schwer mit mir gerungen, ob ich Physiologie schwänzen soll. {46} Noch dazu, wo nächste Woche die Zwischenprüfungen sind. Aber ich konnte mir dieses Angebot einfach nicht entgehen lassen.«
»Wen haben Sie in Physiologie? Art Rhinelander? Hm, wenn ich mich recht erinnere, brauchen Sie sich da nur auf DNS und Nukleotide zu konzentrieren, dann kann Ihnen nichts passieren.«
Er nahm sich ein Mundtuch und band die unteren Schnüre um den Hals. Sondra, die ihm schweigend zusah, mußte sich eingestehen, daß Rick Parsons in dem schlabberigen grünen ›Pyjama‹ verflixt gut aussah. Und als er das Mundtuch hochzog, fiel ihr auf, was für schöne graue Augen er hatte.
Sobald das Mundtuch richtig saß, zog er die obere Verschnürung herunter, so daß die Maske herunterfiel und ihm auf die Brust hing.
»Timmons achtet wie ein Schießhund darauf, daß hier jeder sein Mundtuch trägt. Aber manchmal muß man eine Ausnahme machen.«
Er zog einen Gummihandschuh aus der Tasche seines grünen Hemdes, dehnte ihn mehrmals in verschiedene Richtungen, und blies dann zu Sondras Verwunderung kräftig hinein.
»Ich sag Ihnen schnell was über den Fall«, bemerkte er, im Blasen innehaltend. »Die Symptome des Patienten traten langsam auf: Ataxie auf der linken Körperseite – darunter versteht man eine Störung in der Koordination der Muskelbewegungen; Nystagmus, also dauerndes unwillkürliches Zittern des Augapfels; Kopfschmerzen und Erbrechen, hervorgerufen durch gesteigerten interkranialen Druck; Neigung des Kopfes auf eine Seite. Die Röntgenaufnahmen des Schädels zeigen eine Erweiterung der Schädelnähte; aus den Ventrikulographien ist Hydrocephalus zu erkennen, aus den Angiographien eine avaskulare Masse in der Kleinhirnhalbkugel. Diagnose: Zystischer Gehirntumor.«
Er begann wieder in den Handschuh zu blasen, und als dieser aussah wie eine Melone mit einem Hahnenkamm, band er ihn zu, zog einen Filzstift aus seiner Tasche und malte ein Clownsgesicht auf den Ballon.
»Wir öffnen den Schädel des Patienten, um festzustellen, welcher Art die Masse ist. Wollen Sie immer noch zusehen?«
»Ja.«
»Gut. So, jetzt ziehen Sie Ihre Maske herunter. Ich möchte Sie mit unserem Patienten bekanntmachen.«
In einem Bett, das für den kleinen Körper zu groß war, lag ein Junge von höchstens sechs oder sieben Jahren. Sein Gesicht war blaß, die Augen blickten schläfrig, die große Operationshaube um seinen Kopf war hochgerutscht und ließ ein Stück des kahlgeschorenen Schädels frei.
{47}
»Tag, Tommy«, sagte Rick und legte seine Hand auf den Arm des Jungen.
»Ich bin Dr. Parsons. Kennst du mich noch?«
Der Junge musterte ihn mit großen blauen Augen, dann antwortete er in schleppendem Ton: »Ja, ich kenn Sie.«
Rick wandte sich Sondra zu und sagte sehr leise: »Die langsame Gehirntätigkeit ist auf den gesteigerten interkranialen Druck zurückzuführen. Er hatte auch Sehstörungen.« Zu dem Jungen sagte er: »Tommy, ich hab dir was mitgebracht, schau!«
Er zog den aufgeblasenen Handschuh mit dem Clownsgesicht hinter seinem Rücken hervor. Tommy reagierte langsam, doch dann strahlte er über das ganze Gesicht.
Sondra spürte, wie ihr die Tränen in die Augen schossen, und sie wandte sich hastig ab.
»Kommen Sie«, sagte Rick und nahm sie sanft beim Arm. »Ich muß Sie jetzt eine Weile allein lassen. Ziehen Sie Ihr Mundtuch wieder hoch, sonst wirft Timmons
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