Herzflimmern
auch wieder nicht. Ich bin nur in der Hinsicht richtig verwöhnt, weißt du. Ist der ganze Krempel nicht widerlich?« Sie machte einen vergeblichen Versuch, die Sachen wieder in den Koffer zu stopfen und gab dann kopfschüttelnd auf. »Manchmal ist es mir richtig peinlich, daß ich so viel Zeug habe.« Sie schwieg einen Moment, und ihr Gesicht wurde ernst. »Ich habe immer alles bekommen, was ich wollte«, sagte sie leise. »Ich mußte nie auf etwas verzichten …«
Aus dem Flur kam wieherndes Männergelächter, und sie blickten beide zur offenen Tür.
{18}
»Ich hatte keine Ahnung, daß hier die Wohnheime nicht getrennt sind«, bemerkte Mickey mit einem Anflug von Verzweiflung.
»Und ich hatte keine Ahnung, daß die Zimmer so klein sein würden. Wo, zum Teufel, soll ich die Sachen alle unterbringen?«
Sondra dachte an die Villa in Phoenix, wo sie ein großes Zimmer mit Bad und einen Ankleideraum hatte, der beinahe so groß war wie dieses Zimmer hier. Sie war zum erstenmal für längere Zeit von zu Hause weg. Während ihrer Collegezeit hatte sie bei ihren Eltern gelebt, da sie nie das Bedürfnis gehabt hatte, auszubrechen, Nächte durchzufeiern, junge Männer einzuladen. Sondra hatte nur ein Ziel, und um dieses Ziel zu erreichen, war sie hierher nach Castillo gekommen. Alles übrige – Partys, Kneipenbummel, junge Männer – war nebensächlich.
Aus dem Flur hörten Mickey und Sondra plötzlich einen lauten Knall, dann ein unterdrücktes »Ach, verdammt!« und als sie hinausschauten, sahen sie eine junge Frau in weißen Jeans und schwarzem Rolli, die auf dem Boden kniete und einen Haufen Bücher einsammelte, die ihr hinuntergefallen waren. Lachend blickte sie auf und fuhr sich mit einer Hand durch das kurze braune Haar.
»Ich hab immer schon zwei linke Hände gehabt«, erklärte sie.
Während Mickey und Sondra ihr beim Einsammeln der Bücher halfen, machten die drei sich miteinander bekannt und witzelten über diesen ersten Tag im Castillo.
»Ich komm mir vor wie ein kleines Kind«, meinte Ruth Shapiro, nachdem sie ihre Tür aufgesperrt hatte und die drei in ihr Zimmer traten. »Alle vier Jahre wieder ein Schulanfang. So geht das praktisch schon mein Leben lang.«
»Ja, aber das hier ist hoffentlich die letzte Etappe«, versetzte Sondra lachend, während sie sich im Zimmer umsah und feststellte, daß Ruth, genau wie Mickey und sie, sich noch nicht häuslich eingerichtet hatte.
Ruth warf ihre Schultertasche aufs Bett und fuhr sich wieder durch das kurze Haar. Der Anhänger an ihrem Hals, ein stilisiertes Waagezeichen, blitzte in der späten Nachmittagssonne auf.
»Ich hab das Gefühl, mein ganzes Leben besteht nur aus Lernen und Lesen.«
»Du hast deine Bücher schon?« fragte Sondra und warf einen Blick auf die Titel, als sie sie auf den Schreibtisch legte. »Wie hast du die Zeit gefunden?«
»Ich hab sie mir
genommen.
Und ich werde gleich heute abend anfangen zu pauken. Komm, setzt euch.« Ruth schleuderte ihre Sandalen von den Füßen. »Als erstes muß ich mir ein paar solide Schuhe besorgen, damit {19} ich hier nicht gegen die Kleidervorschrift verstoße. Und meine Mutter muß ich anrufen, damit sie mir ein paar Röcke schickt.«
Sondra hockte sich auf den Bettrand. »Und ich muß alle meine Kleider und Röcke auslassen.«
»Seid ihr beide aus Kalifornien?« fragte Ruth.
»Ich komme aus Phoenix«, antwortete Sondra.
Sie sahen beide zu Mickey auf, die immer noch stand. »Ich bin hier aus der Gegend«, sagte diese so leise, als lege sie ein Mordgeständnis ab.
»Ach, da kennst du dich hier wenigstens aus«, meinte Sondra, die versuchte, Mickey ihre Befangenheit zu nehmen.
»Hast du einen Freund in der Nähe?« fragte Ruth, während sie völlig ungeniert Mickeys Wange musterte.
»Einen Freund?« Beinahe hätte Mickey gelacht. Als hätte sie mit so einem Gesicht bei Männern eine Chance. »Nein, nur meine Mutter.«
»Wo wohnt sie?« fragte Sondra.
»In Chatsworth. Sie ist in einem Pflegeheim.«
»Und dein Vater?«
Mickey starrte auf die leuchtende Bougainvillea, die Ruths Zimmerfenster umrankte. »Mein Vater ist gestorben, als ich noch ganz klein war. Ich habe ihn nie gekannt.« Es war eine Lüge. Mickeys Vater hatte seine Frau und seine einjährige Tochter wegen einer anderen Frau verlassen und sich nie mehr um die beiden gekümmert.
»Da geht’s dir so ähnlich wie mir«, bemerkte Sondra. »Ich habe meinen richtigen Vater auch nie gekannt. Und meine Mutter ebensowenig. Ich bin
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