Herzflimmern
schöne Exotin würde entweder Riesenprobleme mit den Männern bekommen oder aber im Vorteil sein, je nachdem wie selbstsicher und zielstrebig sie war. Die dritte, die Blonde, die sich hinter ihrem Haar versteckte, die wirkte wie ein gehetztes Tier. Selma bezweifelte, daß sie es schaffen würde.
Gerade da sagte das Mädchen: »Ja, ich habe eine Frage. Wo sind eigentlich die Damentoiletten?«
»Da gibt’s überhaupt nur eine einzige in den Unterrichtsgebäuden. In der Encinitas Hall.«
»Nur eine einzige? Wieso?«
»Weil der Anteil von Frauen pro Studienjahrgang acht Prozent nie überstiegen hat. In den vierziger Jahren, als zum erstenmal Frauen zugelassen wurden, war die Quote sogar auf zwei Frauen pro Jahrgang beschränkt. Und da es keine weiblichen Lehrkräfte gab und immer noch nicht gibt, wäre es absolut unrentabel gewesen, in sämtlichen Gebäuden neue Toiletten zu installieren.«
»Ja, aber wie –« begann Mickey.
»Man gewöhnt sich daran, morgens auf Tee oder Kaffee zu verzichten, und wenn man kurz vor der Menses ist, beugt man eben vor, weil man nicht die Zeit hat, während eines Seminars oder einer Vorlesung zu verschwinden und über das ganze Campus zur Encinitas Hall zu laufen.«
Mickey war niedergeschmettert.
{22}
»Und wie werden Frauen hier behandelt?« fragte Sondra.
»Soviel ich weiß, gab’s am Anfang ziemlich heftigen Widerstand gegen die Frauen. Man hatte Sorge, die Zulassung von Frauen könnte das Ansehen des Colleges mindern. Bei den älteren Dozenten spürt man das auch heute noch. Es sind ein paar da, die es darauf anlegen, einen fertigzumachen. Fangt bloß nicht an zu weinen! Da bekommt ihr gleich typisch weibliche Hysterie vorgeworfen.«
Ruth hob ihr Glas an die Lippen, entschlossen sich vom Unken dieser Kassandra nicht einschüchtern zu lassen. Nichts und niemand würde sie daran hindern, ihr Ziel zu erreichen.
»Aber ihr werdet’s schon schaffen«, meinte Selma tröstend. »Wichtig ist eine professionelle Haltung. Und vergeßt nicht, daß Castillo ganz anders ist als die liberalen Colleges, von denen ihr sicher gerade gekommen seid. Hier geht es so steif und konservativ zu wie in einem englischen Männerklub. Wir Frauen sind Eindringlinge.«
»Und die Studenten?« fragte Sondra. »Wie stehen die zu uns?«
»Die meisten akzeptieren uns als Gleichgestellte; aber man trifft natürlich immer wieder welche, die sich durch uns bedroht fühlen. Die versuchen dann, einen runterzumachen und einem zu zeigen, wer Herr im Haus ist. Ich glaube, einige haben sogar richtig Angst vor uns. Aber wenn man sich freundlich, aber bestimmt von ihnen abgrenzt und sich auf das konzentriert, wozu man hier ist – um Medizin zu studieren –, dann hat man eigentlich keine Probleme.«
Laute Rockmusik und männliches Gelächter empfingen Sondra, Ruth und Mickey, als sie, vom Tee bei Mrs. Hoskins zurückkehrend, die hell erleuchtete Tesoro Hall erreichten.
»Ich möchte wissen, wie man bei dem Krach konzentriert lernen soll«, sagte Ruth. »Was haltet ihr beiden eigentlich von dem Wohnheim?«
»Wie meinst du das?« fragte Sondra.
»Na, wir bezahlen doch einen Haufen Geld für die Unterkunft. Und hört euch das Getöse an. Wollen wir nicht versuchen, uns zu dritt eine Wohnung zu nehmen?«
»Eine Wohnung?«
»Ja. Außerhalb vom Campus. Wir würden bestimmt was finden, und gedrittelt wäre die Miete bestimmt viel niedriger als der Preis, den wir hier im College bezahlen – wo man nicht mal Ruhe hat.« Ruth wies mit dem Kopf in die Richtung, aus der Musik und Gelächter kamen. »Hier müssen wir außerdem für Reinigung und Wäscherei bezahlen. Eine Wohnung könnten wir leicht selber sauberhalten, und unsere Wäsche können wir {23} auch selber waschen. Und was sie hier für das Essen verlangen, finde ich sowieso unverschämt. Oder wie fandet ihr das Mittagessen heute?« Sie versuchten beide, sich zu erinnern. Es war irgendein bräunlicher Auflauf gewesen.
»Ich kann ganz gut kochen«, fuhr Ruth fort, »außerdem esse ich keine drei Mahlzeiten am Tag. Hier bezahlen wir für Frühstück, Mittag- und Abendessen, ganz gleich, ob wir es nehmen oder nicht. Überlegt mal, wieviel Geld wir sparen würden.« Sie machte eine kurze Pause. »Aber am wichtigsten erscheint mir, daß wir in einer Wohnung für uns wären und nicht dauernd irgendwelche Knaben durch den Flur trampeln.«
Mickeys Augen leuchteten auf. »Ja, ich finde, das ist eine gute Idee.«
Sondra sah ihr winziges Zimmer vor sich und
Weitere Kostenlose Bücher