Herzgespinst - Thriller
»Die Frage war wirklich rein privat. Ich hab nur beobachtet, wie sie dich anschaute, als du gesungen hast und da habe ich eins und eins zusammengezählt. Neugier ist leider so eine Berufskrankheit von mir. Ich handle mir damit dauernd Stress bei meinen Freundinnen ein. Glaub mir, Oliver. Keine ist gerne mit einem notorischen Schnüffler zusammen. Du bist sicher ein echter Mädchenschwarm.«
Oliver merkte, wie er errötete. »Das ist immer so, wenn man in einer Band spielt, sagt Tom. Ich habe da aber noch keine Erfahrungen gemacht, ich bin ja erst seit Kurzem dabei. Aber unser erstes Konzert im Zollhaus war wirklich der Hammer. In ein paar Tagen spielen wir auf dem Stadtfest Open Air. Dazu wird unten am Fluss extra eine Bühne aufgebaut.«
Kurt Jansen zeigte mit dem Daumen nach oben. »Super. Das schaue ich mir auch an. Wie kriegst du das mit der Schule auf die Reihe?«
Oliver zögerte. »Ich mache nicht mehr weiter nach dem Sommer. Aber das weiß bis jetzt nur Julia. Ich ziehe vielleicht zu der Band nach Hamburg oder sonst wo hin. Also, bitte …«
Jansen legte den Zeigefinger an seine Lippen. »Na klar. Geht mich im Übrigen genauso wenig an, wie die Sache mit dem Mädel.« Er schwieg sinnend und zog eine zerknüllte Packung Zigaretten aus seiner Hosentasche, die er Oliver zuerst hinhielt.
Oliver verneinte. »Ich muss auf meine Stimme achten. Hab aufgehört.«
Er schaute auf seine Armbanduhr. »Können wir uns etwas beeilen?«, fragte er. »Ich will meine Kollegen nicht ewig warten lassen.«
Jansen steckte die Zigaretten wieder weg. »Du hast völlig recht. Ich sollte auch endlich weniger rauchen.«
Er tippte auf Olivers Uhr. »War das nicht mal die Uhr von …«
Er unterbrach sich selber. »Okay. Was ich eigentlich wissen möchte. Wie gut weißt du über die Leute Bescheid, mit denen Julia zusammen ist. Hat sie einen festen Freund? Könnte irgendjemand so eifersüchtig sein oder unglücklich in sie verliebt, dass er ihr so etwas Grausames antun würde?«
Ohne zu zögern schüttelte Oliver den Kopf. »Nein, natürlich nicht. Da gibt es niemanden.«
Kurt Jansen überlegte kurz. »Und was ist mit einem Freund?«
Oliver wiederholte gereizter als er beabsichtigte: »Ich sagte doch gerade nein.«
Kurt Jansen seufzte entschuldigend. »Sorry, dass ich so nachbohre. Ich wusste nicht, dass du damit auch meinst, dass sie keinen Freund hat. Seltsam oder? Die hübschesten Mädchen haben viel seltener Freunde. Hast du dich darüber auch schon gewundert?«
Oliver runzelte die Stirn. »Nein. Wieso?«
Kurt Jansen zuckte mit den Achseln. »Tja. Ich frage mich so etwas schon. Das arme Tier wurde übrigens mit einer Gitarrensaite erdrosselt. Spielt Julia ein Instrument?«
Oliver wirkte gerade zum ersten Mal fassungslos. »Nein, tut sie nicht. Mit einer Gitarrensaite? Das ist ja ekelhaft«, sagte er angewidert.
Er sah Kurt Jansen ernst an. »Ich würde wirklich gerne mithelfen. Aber ich kenne einfach niemanden, dem ich so etwas zutrauen würde.«
Kurt Jansen nickte. »Das habe ich mir gedacht. Aber falls dir noch etwas einfällt oder wenn du etwas Ungewöhnliches bemerkst in der nächsten Zeit, sag mir bitte sofort Bescheid. Es können Kleinigkeiten sein.«
Er gab Oliver eine Visitenkarte. »Darauf steht auch meine Handynummer. Du kannst mich wirklich Tag und Nacht anrufen.« Er gab ihm zum Abschied die Hand. »Wenn ihr eine CD rausbringt, kaufe ich mir die hundertprozentig.«
Oliver sah Kurt Jansen nach, bis dieser mit seinem Auto verschwunden war. Er fuhr immer noch einen alten klapprigen VW Bus. Eigentlich cool.
Was er gerade erfahren hatte, fand er irgendwie beunruhigend. Gestern hatte er sich einfach nur um Julias Gesundheit Sorgen gemacht. Jetzt aber fragte er sich, wer Julia so übel mitgespielt hatte und ob derjenige weiter gefährlich für sie war.
24
G leich nachdem Julia aus dem Krankenhaus entlassen wurde, trafen sie sich in der Scheune. Julia wollte es so und Oliver war sofort einverstanden gewesen. Etwas an ihr zog ihn ganz plötzlich unglaublich an.
Sie schliefen miteinander so vertraut, als ob sie nie etwas anderes getan hätten. Anschließend lagen sie nebeneinander im Heu und schauten aus dem schmalen Fenster hinaus in den blauen Himmel. Alles war haargenau wie früher, nur dass sie auf einmal ein Liebespaar waren.
Ohne den Tod von Fredo wäre es nie so weit gekommen, überlegte Oliver.
Man konnte es entweder ausgleichende Gerechtigkeit nennen oder aber auch als grausames Spiel des
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