Herzgrab: Thriller (German Edition)
Familie zog nach Österreich. Kurz darauf starb der Vater, aber Mama Scatozza blieb mit Dino in Wien, wo er mit seinen schwarzen Kulleraugen der Schwarm aller Lehrerinnen wurde. Vor sieben Jahren hatten Scatozza und er sich bei einer Einsatzleiterbesprechung des Bundeskriminalamts kennengelernt und waren kurz darauf Partner geworden.
» Hier ist es. «
Die Via dei Gondi war eine verdammt enge Gasse. Sie wirkte wie ein Gehweg, allerdings mit so hohen Altbauten, dass man einen klaustrophobischen Anfall bekommen konnte, wenn man sie betrat.
Scatozza blieb vor einem Gebäude mit schwarzen Mauersteinen, abgebröckelter Stuckatur und hohen vergitterten Fenstern stehen. Links und rechts davon befanden sich ein Trödelladen und ein abgehalftertes Café, dessen Markise traurig über dem Bürgersteig hing. Es roch nach Katzenpisse. » Du irrst dich « , stellte Gerink fest.
» Ich irre mich nie. « Scatozza steckte die Karte ein. » Das ist die Adresse, bei der wir uns melden sollen. «
Gerink blickte sich um. » Hier ist doch niemals das Kriminalkommissariat der Staatspolizei. «
Scatozza fand ein rostbraunes Schild neben dem Hauseingang. » Sieht eher wie eine Wachstube der Carabinieri aus. «
» Scheiße! « , fluchte Gerink. » Was sollen wir da? Hier geht es doch nicht um Verkehrsunfälle, Handtaschenklau oder gestohlene Fahrräder. «
» Scheint so, als wären die Dorfgendarmen für Teresas Verschwinden zuständig. «
Kein Wunder, dass der Auslandsschriftverkehr mit den italienischen Behörden bisher ein Reinfall gewesen war. Bestimmt sprach in dieser Stube kein Mensch Deutsch.
Die dicken Mauern hielten das Innere des Gebäudes angenehm kühl. Das war auch schon der einzige Vorteil. Die Räume waren etwa drei Meter hoch, es roch nach Kalk und Holz, und der Parkettboden knarrte wie in einer alten Hofratskanzlei. Bestimmt hatten in diesem feudalen Bau einst die Medici residiert und ihre Dukaten durch die Finger klimpern lassen. Seither war nichts erneuert worden.
Während Scatozza zur Toilette abbog, ging Gerink zu einer Dame, die hinter einer Glaswand saß, um ihr durch den Sprechschlitz zu erklären, dass sie aus Wien kämen und mit den Beamten auf diesem Revier einen Termin hätten.
Die Frau sah ihn mit großen Augen an, worauf er es auf Englisch versuchte. Nach fünf Minuten hatte er ihr endlich mit Dienstausweis und Gebärdensprache verständlich machen können, dass er kein Tourist war, den man auf der Piazza Signoria ausgeraubt hatte, sondern ein Kollege aus Österreich. Von Scatozza, der eigentlich übersetzen sollte, fehlte jede Spur. Gerink tastete seine Hose ab. Der Autoschlüssel des Pajero steckte in seiner Tasche, sonst hätte er glatt vermutet, dass Scatozza im Wagen einen weiteren eBay-Artikel ersteigerte. Stattdessen verbrachte er die Zeit auf der Toilette vermutlich damit, um sich zu stylen. Und das konnte Stunden dauern!
Gerink wartete fünf Minuten, bis endlich ein Carabiniere in dunkelblauer Uniform mit Kragenspiegeln und rot-blauen Rangabzeichen antrabte. Als er Gerink erblickte, setzte er sich die Kappe mit einer stilisierten Granate als Emblem auf, wodurch er nun fast so groß wie Gerink war.
Der drahtige Mann verschränkte die Arme hinter dem Rücken und streckte die Brust heraus. » Sie komme aus Vienna? « , fragte er in gebrochenem Deutsch.
» Ja. «
» Sprechen Sie Deutsch? « , fragte der Mann.
» Was? Natürlich! «
Der Carabiniere musterte Gerink von den Sandalen bis zur Kurzhaarfrisur. » Werden Sie in die hübsche Firenze übernachten? «
War das zu fassen? Die italienischen Kollegen hatten die Anweisung, sich um eine dreitägige Unterkunft für Scatozza und ihn zu kümmern. Gerink atmete tief durch. Dann nahm er das Rechtshilfeersuchen der Staatsanwältin aus seiner Mappe und reichte es dem Mann. Dieser warf nur einen knappen Blick darauf. Die Wangenmuskeln seines schmalen Gesichts arbeiteten. Er kniff die Augenbrauen zusammen.
» Diese Beschluss ist auf Deutsch « , stellte er fest.
» Natürlich ist er auf Deutsch. Mein Name ist Peter Gerink. Ich komme vom Bundeskriminalamt in Wien und bin Ihnen die nächsten drei Tage unterstellt. Ich bin mit dem Fall Teresa Del Vecchio vertraut und würde erst einmal vorschlagen, dass Sie meinem Kollegen und mir Akteneinsicht in den Fall gewähren. «
Der Mann blickte Gerink an, als hätte er nichts verstanden. Dann betrachtete er Gerinks Tattoo. » Wo ist die Schreiben auf Italienisch? «
» Wo ist …? Die italienische
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