Herzklopfen für Anfänger
nicht so jemanden suchen?«
***
In jener Nacht wachte ich um drei Uhr siebenundzwanzig auf und beschloss, am Drug-U-Like-Wochenende teilzunehmen. Plötzlich fühlte ich mich alt. Meine Zeit auf der Kommandobrücke unseres Familienschiffes ging dem Ende entgegen. Unser kleines Mädchen war kein Mädchen mehr, sondern eine Frau. In ein paar kurzen Jahren würde auch sie uns verlassen und alle die Fehler machen, die sie wollte. Ich schlich auf Zehenspitzen in ihr Zimmer, wobei ich mir fröstelnd die Arme rieb – Kate schlief immer bei offenem Fenster. Ich betrachtete die schlafende junge Frau. Ihr Tattoo schmiegte sich sichtbar und hübsch um ihren schlanken Arm. Ich fragte mich, ob sie es in zwanzig Jahren wohl bereuen würde. Würde sie dann zurückschauen und sich fragen, was sie sich dabei gedacht hatte? Was würde aus ihr werden, überlegte ich. Eine Tänzerin? Eine Schauspielerin? Das wollte sie so gern. Und sie wäre gut darin. Und dann würde sie vielleicht heiraten. Kinder. Ein Leben in der Mittelschicht.
Sie rührte sich im Schlaf, ihre langen Wimpern flatterten. Ich lächelte. Ob sie es bedauern würde? Ich glaubte nicht.
7
An einem nassen, ungemütlichen Samstagnachmittag waren wir im Trainingszentrum von Porth Merthyr angekommen. Nachdem man uns erklärt hatte, dass Porth Tor bedeutete und Merthyr Märtyrer (hahaha), mussten wir uns sofort für einen Kampfkurs umziehen, bei dem wir lebensgefährliche Übungen vollführten, ohne die geringste Ahnung zu haben, wozu das gut sein sollte. Wahrscheinlich hatte es etwas mit der Teambildung zu tun. Der Sinn lag nur darin, uns die Sinnlosigkeit unseres Tuns vor Augen zu führen.
Mir war das egal. Ich wusch nicht, ich bügelte nicht, und ich saugte auch keine Schlafzimmer oder verhandelte mit dem Partyservice. Ich entwarf keine Kostüme, kochte kein Essen und belästigte auch keine Parlamentsmitglieder. Ich wusste zwar nicht genau, was ich tat, aber das störte mich eigentlich wenig, denn die anderen wussten es auch nicht.
Und jetzt ist Montag. Das Wochenende ging in verwirrter Unwissenheit vorüber. Abends haben wir Unmengen von Alkohol zu uns genommen und Chips in der Bar gefuttert. Heute früh sind wir zu einer Hütte in den Wald getrieben worden, fernab von jeder menschlichen Siedlung.
Ruth ist nicht dabei, weil ihr schlecht ist und sie einen mächtigen Kater hat. Das ist eine gute Sache, weil ich keine Lust habe, Erbrochenes wegzuputzen. Positiv ist auch, dass der Mann aus Horsham mit den furchtbaren Haaren und den auffälligen Vorderzähnen nicht dabei ist. Negativ ist hingegen Russells Anwesenheit, der nicht einmal in der Lage ist, allein den Weg zum Kontaktlinsenschrank zu finden. Ganz zu schweigen davon, dass er sich draußen ohne Auto und Sonnenbrille zurechtfinden kann. Und so absolut positiv, dass ich schon Angst habe, es könnte sich als negativ erweisen, ist, dass Nick Brown unser Gruppenleiter ist: Er muss uns zwei zum Erfolg führen. Heute früh um acht Uhr dreißig ist er aufgetaucht – ein Traum in Khaki. Seitdem habe ich mich aus einer fröhlichen Frau Anfang vierzig in Baden Powells eifrigsten Rekruten verwandelt.
Die Hütte ist für eine Hütte ganz nett eingerichtet. Kurz denke ich an Jonathan. Ich denke daran, wie enttäuscht er von Kate ist. Ich denke daran, dass er bestimmt vergessen hat, die Biskuitrolle aus dem Kühlschrank zu nehmen. Ich denke daran, wie er seiner Mutter zum x-ten Mal erklärt, dass sie von der Steppdecke weder Hautausschlag noch Läuse bekommt. Ich denke daran, wie er gelangweilt bei Marks & Spencer herumsteht, während sie alle Röcke in die Hand nimmt, um zu sehen, ob sie knittern. Ich denke an ihn und daran, wie viel Spaß mir dieser Wochenendtrip macht. Und dann denke ich an Nick Brown und gestehe mir ein, dass hinter diesem Wahnsinn ein Sinn steckt. Meine geistige Gesundheit. Meine Freiheit. Die Tatsache, dass ich mich wieder wie ein Teenager fühle. Kleine unwichtige Details.
Zehn nach drei jedoch ist das einzige kleine Detail, das mir durch den Kopf geht, die Tatsache, dass ich nur noch sieben feuchte Tücher habe und dass Pinkeln im Freien nicht gerade hoch auf der Liste meiner liebsten Freizeitbeschäftigungen angesiedelt ist. Wir üben nämlich Orientieren. Angeblich soll es einfach, lustig, herausfordernd, gesund und nicht im Mindesten gefährlich sein, solange man die Hosenbeine in die Socken steckt. Man bildet kleine Gruppen und wird getrennt zu verschiedenen entlegenen Orten gebracht. Dort
Weitere Kostenlose Bücher