Herzklopfen für Anfänger
Küche. Warum hatten wir bloß nicht im Esszimmer gegessen? Dann hätte ich jetzt wenigstens einen Grund, zu verschwinden.
»Na, das ist ja reizend«, sagte sie. »Ich erwähne diese Kleinigkeit, und du gehst gleich in die Luft.«
Ich wirbelte herum. »Das ist keine Kleinigkeit! Es war nie nur eine Kleinigkeit. An allem hast du etwas auszusetzen. Die Blumen – o meine Liebe, ich glaube, Tricia hätte lieber Rosen gewollt. Die Gästeliste – ja, du hast recht. Schrecklich nachlässig von mir, dass ich vergessen habe, Tricias Cousin zweiten Grades von Gott weiß woher einzuladen. Sogar die blöden Einladungen – Himmel! Was habe ich mir nur gedacht? Wie konnte ich vergessen, ihren Namen zu erwähnen. In einer Fußnote vielleicht. Von Jonathan, Sally und Tricia, ihrer wahren Mutter, die sie schrecklich gern eingeladen hätte, aber leider – verdammt! Sie ist seit zwanzig Jahren tot!«
Jonathan stand auf.
»Sally«, brüllte er mich an.
Er konnte so viel brüllen, wie er wollte. »Unterbrich mich nicht«, fuhr ich ihn an. »Du wenigstens solltest hinter mir stehen. Wie kann sie es wagen, in mein Haus zu kommen und mir vorzuschreiben, wie ich die Hochzeit meiner eigenen Tochter organisieren soll. Wie kann sie es wagen!«
Androulla, hochrot unter ihrer kackfarbenen Bräune, stand ebenfalls auf und sah mich an. Ihr Blick war so voller Gift, dass man einen Elefanten damit hätte töten können. »Aber sie ist nicht deine Tochter! Und ich denke, es ist höchste Zeit, dass du endlich einmal einsiehst, dass auch andere Leute das Recht haben …«
»Das Recht worauf? Na los, sag es mir. Sag mir, was dir das Recht gibt, hierher zu kommen und mich wie eine zweitklassige Ersatzmutter zu behandeln. Das würde ich wirklich gern wissen. Denn deine Tochter ist sie schließlich auch nicht.«
»Das ist lächerlich, Sally.«
»Ist es keineswegs. Ich bin es leid, mich ständig von dir kritisieren zu lassen. Du hörst nie auf, oder? Es war immer schon so. ›Ich glaube, Tricia hätte es eher so und so gemacht, Sally.‹ – ›Bist du sicher, das solltest du so machen, Sally?‹ Was glaubst du, wie ich mich dabei gefühlt habe? Nun, ich kann dir etwas verraten. Sie ist seit zwanzig Jahren tot! Zwanzig! Morgan erinnert sich kaum an sie. Und du brauchst mich gar nicht so anzusehen. Ich habe mit ihrem Tod nichts zu tun. Okay? Ich habe sie nicht umgebracht. Ich habe sie nicht beerdigt. Und ich habe ganz bestimmt nicht versucht, ihren Platz einzunehmen. Aber Morgan war erst drei! Sei doch mal realistisch. Ich bin Morgans Mutter, auch wenn es dich noch so sehr schmerzt. Oh, und zu deiner Information, Love Divine hat sie für mich ausgesucht.«
Ich knallte die Käseteller auf den Tisch und floh aus der Küche. Sonst hätte ich am Ende noch die Küchenschere ergriffen und sie zerstückelt. Wie vorauszusehen war, kam Jonathan mir sofort nach. Seine Schritte dröhnten schwer auf der Treppe.
»Was zum Teufel sollte das?«, zischte er mich an, als er die Schlafzimmertür hinter sich geschlossen hatte.
»Was?«
»Wie du auf Andy eingeprügelt hast! Was zum Teufel sollte das? Sie ist in Tränen aufgelöst.«
»Gut«, fuhr ich ihn an. »Es wurde auch langsam Zeit. Hoffentlich sehe ich die Hexe nie wieder.«
Meine Hände zitterten immer noch, so wütend war ich. Gib mir nur einen Vorwand, dachte ich. Nur einen, und ich bin zur Tür hinaus, bevor du auch nur Piep sagen kannst!
»Ja, das hat man gemerkt. Was ist denn in dich gefahren? Wieso musstest du so giftig sein? Die arme Frau! Sie wollte doch nur …«
»Arme Frau? Was in mich gefahren ist? Jonathan, die Frau ist ein Monster! Siehst du das denn nicht? Ist dir das noch nie aufgefallen? Sie hat mir nie verziehen, nie.«
»Was denn verziehen, um Gottes willen?«
»Dass ich existiere, du Idiot! Dass ich in dein Leben getreten und ihr ihr kleines Mädchen gestohlen habe.«
»Was ist bloß in dich gefahren?«, sagte er noch einmal und blickte mich schockiert an. »Du bist völlig außer dir! Du liebe Güte, Sally, sie hat nur versucht zu helfen. Ich weiß, dass sie dich rasend macht, aber das ist dein Problem, nicht ihres.«
»Was?«
»Du hast gehört, was ich gesagt habe.«
»Oh ja, das habe ich gehört. Und ich möchte gern wissen, was du damit gemeint hast. Was hast du damit gemeint?«
Er schwieg einen Moment. Und mir wurde klar, dass er gleich etwas sagen würde, was ich nicht hören wollte. Und so war es auch.
»Du hast sie nicht mehr alle«, sagte er. »Gestohlen? Du liebe
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