Herzklopfen für Anfänger
– zum Glück noch keinen Streit gehabt.
Meine Mutter rief mich im Büro an, um mir Bescheid zu sagen. Auch ihr war aufgefallen, dass Morgan in der letzten Zeit ein wenig gestresst und ganz anders als sonst klang.
»Sie ist sicher nur nervös vor der Hochzeit«, versicherte sie mir, als ich an jenem Abend nach Hause kam. »Ich kenne keine Hochzeit, bei der es keinen Krach gab. Mach dir keine Sorgen, meine Liebe. Es geht alles vorüber. Ich habe übrigens nirgendwo rote Baumwolle bekommen. Kannst du mir sagen, welchen Stoff ich stattdessen für diesen Zwickel nehmen soll?«
Donnerstag gab es Gott sei Dank keinen Streit. Der Tag war trotzdem hektisch, weil Kate am Abend die erste Aufführung hatte. Ich machte keine Mittagspause, um früher gehen zu können.
Ich wurde sowieso immer dünner. Das Ding in meinem Magen schien mein Gewicht förmlich zu fressen. Der Schmerz nagte an mir. Nick war die ganze Woche nicht in Amberley gewesen. Obwohl ich das am Montag noch gut gefunden hatte, merkte ich deutlich, dass ich mich geirrt hatte. Jeder Tag ohne ihn war schlimmer als der vorangegangene. Ich befand mich mittlerweile in einem Gefühlsstadium, in dem ich glaubte, sterben zu müssen, wenn ich ihn nicht bald wiedersah. Jeder neue Streit nahm mich mehr mit. Ich wollte ihn nur noch einmal sehen. Zum x-ten Mal seit letztem Freitag fragte ich mich, ob er wohl zum Drug-U-Like-Dinner kommen würde. Ich wusste es nicht und konnte auch niemanden fragen.
»Natürlich kommt er«, sagte Ruth. »Ganz bestimmt, würde ich sagen. Aber was soll das denn bringen? Du hast doch Max dabei, oder?«
So nannte sie neuerdings Jonathan, nachdem ich ihr von dem Debakel am Wochenende erzählt hatte. Sie hatte die ganze Geschichte ungeheuer komisch gefunden und mich als die zweite Mrs de Winter bezeichnet. Und Androulla war natürlich Mrs Danvers. Der Gedanke hatte etwas sehr Befriedigendes. Allerdings hoffte ich nicht, dass sie mich zwingen würde, vom Balkon zu springen, um meinen eigenen Tod zu inszenieren. Ich schüttelte den Kopf.
»Jonathan kommt nicht mit«, sagte ich. »Er hält am Samstag einen Vortrag vor Zahnärzten in Brighton, deshalb übernachtet er dort.«
Ruth grinste. »Ach, die Fahrt ist ihm wohl zu anstrengend, was? Das ist ja sehr praktisch.«
»Nein, ist es nicht. Ruth, ich habe dir doch gesagt, dass ich meine Entscheidung getroffen habe. Ich habe absolut nicht die Absicht, Nick wiederzusehen.«
»Ja, ja, und ich bin Jungfrau.«
Ich wünschte, sie würde nicht immer so reden. Ich fühlte mich schon schrecklich genug. Wie oft hatte ich in dieser Woche mein Handy herausgeholt? Wie oft wäre ich beinahe schwach geworden? O Gott. Unzählige Male. Es war wie eine Krankheit.
Gereizt erwiderte ich: „Ehrlich gesagt wäre es mir lieber, wenn Jonathan mitkäme, dann würde ich mich nicht so verletzlich fühlen. Aber er hasst diese Anlässe. Nein, das stimmt nicht. Eigentlich mag er sie, aber nur, wenn sie seiner Bedeutung angemessen sind: er der wichtige Fachmann und ich seine pflichtbewusste kleine Frau.«
Als ich nach der Arbeit nach Hause kam, erwartete ich eigentlich, Morgan vorzufinden, aber sie war noch nicht da.
»Freitagabendverkehr«, meinte meine Mutter, die immer noch mit einem Fingerhut auf dem Finger dasaß und etwas an einem Kostüm änderte. »Mach dir keine Sorgen«, fügte sie beruhigend hinzu. »Du siehst sowieso schon schlecht aus. Geh ein wenig mit dem Hund vor die Tür. Sie kommt bestimmt gleich.«
»Vielleicht hat sie keine Lust zu kommen«, sagte Kate, als ich Merlin anleinte. »Wahrscheinlich ist sie zu sehr mit ihrer feinen Londoner Gesellschaft beschäftigt, um zu so etwas Provinziellem wie unserer kleinen Aufführung zu kommen.«
»Kate, wie kannst du das sagen?«, schalt ich. »Gran hat recht. Wahrscheinlich ist zu viel Verkehr.«
Als ich mit Merlin zurückkam, war sie jedoch immer noch nicht da. Ich begann mich zu fragen, ob Kate nicht doch recht hatte. Morgan hatte in dieser Woche mehr als einmal gesagt, dass sie bis über beide Ohren in Arbeit stecken würde. Aber einfach nicht zu kommen und nicht anzurufen, das sah ihr eigentlich nicht ähnlich. Schon wieder etwas, worüber ich mir Sorgen machen musste. Ach, warum tat das Leben mir das an? Gerade in dieser Woche. Musste ich für meine Sünden bezahlen? War es vielleicht tatsächlich Karma? Mehrmals versuchte ich sie anzurufen, aber ich erreichte sie nicht. Also hinterließ ich ihr eine Nachricht und eine Notiz in der Küche mit der
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