Herzklopfen für Anfänger
Güte! Du bist paranoid.«
Er fuhr sich mit der Hand über die Stirn und atmete geräuschvoll aus.
»Sie versucht keineswegs deine Rolle einzunehmen.« Er fuchtelte mit einem Finger vor meiner Nase herum. »Sie will nur eingebunden werden. Sie ist Morgans Patentante. Vergiss das nicht. Warum kannst du sie nicht einfach lassen? Was kostet es dich, wenn sie ein bisschen mitmachen darf? Du beschwerst dich doch immer, du hättest zu viel zu tun – dann überlass ihr einen Teil der Arbeit. Du brauchst bloß Nein zu sagen, wenn dir ihre Vorschläge nicht gefallen. Herrgott! Du musst doch die Frau nicht gleich so zur Schnecke machen, dass sie in Tränen ausbricht. Was ist nur mit dir los?«
»Was mit mir los ist? Herrje, Jonathan, du hast wirklich keine Ahnung? Ich könnte in die Luft gehen!«
Er starrte mich an. Es stimmte, er hatte tatsächlich keine Ahnung.
Ich kam mir vor, als hätte ich einen Schlag in die Magengrube erhalten.
»Hör zu«, sagte er leiser und runzelte die Stirn. »Komm wieder herunter und lass uns das aus der Welt schaffen.«
»Nein, ganz bestimmt nicht«, sagte ich. »Auf gar keinen Fall.«
»Aber du kannst nicht einfach …«
»Oh doch, ich kann, Jonathan. Darauf kannst du Gift nehmen.«
Anscheinend sah er an meinem Gesichtsausdruck, dass er seine Zeit verschwendete. Er drehte sich auf dem Absatz um und ging aus dem Zimmer.
Das elende Ende einer elenden Woche. Und ein unheilvoller Start in die nächste. Besäße ich auch nur eine Spur Intelligenz, hätte ich es kommen sehen. Und vielleicht wäre ich dann lieber im Bett geblieben.
Wir Erwachsenen hatten uns am Morgen so einigermaßen ausgesprochen, überhöflich und ekelerregend süßlich, wie man das als Erwachsener so macht. Es war ein notwendiges Übel. Auch wenn ich noch so recht hatte mit Androulla, musste ich mich doch wie eine erwachsene Frau benehmen. Ja, sie hasste mich. Ja, ich hatte ihr ihr kleines Mädchen weggenommen. Und eigentlich war es ihr Problem. Es war nicht meine Schuld, dass sie nach Richard keine Kinder mehr kriegen konnte. Und es hatte auch nichts mit mir zu tun, dass sie nach Tricias Tod Morgan eigentlich hatte zu sich nehmen sollen. Oder dass die beiden Ehepaare in Cowes vereinbart hatten, sie würden im Todesfall gegenseitig ihre kostbaren Babys adoptieren. Für sie bedeutete Tricias Tod, dass sie die Ersatzmutter war, nur dass Morgan nicht bei ihr zu schlafen brauchte.
Es hatte nichts mit mir zu tun. Ich war damals noch auf dem College. Aber in Androullas Kopf machte das keinen Unterschied. Ich kam, ich stahl, ich siegte. Daran konnte man nichts tun, außer sich höflich auszusprechen. Ich würde, gab ich nach, mit Morgan über das Kirchenlied sprechen, und wenn sie es ändern wollte, würde es geändert werden. Allerdings hatte ich da schon längst mit Morgan gesprochen. Wie von mir erwartet, war ihr Praise My Soul völlig gleichgültig. Ein Pyrrhussieg vielleicht, aber das spielte keine Rolle mehr. Ich war das alles leid. Ich sehnte mich nach Nick, und ich hatte genug von Streitereien. Dachte ich zumindest.
Morgan stand dem Kirchenlied nämlich nicht aus Achtung meiner Person so gleichgültig gegenüber. Sie fragte mich erneut, ob ich nicht zum Mittagessen nach London käme, und klang bestürzt, als ich erwiderte, ich würde das nicht schaffen. Aber sie wollte mir nicht erklären, warum.
»Mach dir keine Gedanken«, sagte sie gereizt. »Nichts Wichtiges. Ich vermute, du bist bis über beide Ohren mit Kates Aufführung beschäftigt.«
Ich ignorierte ihren Tonfall. »Genau«, antwortete ich fröhlich. »Aber weißt du was? Mittwoch nächster Woche habe ich frei. Was hältst du denn davon, wenn ich früh zu dir komme, und wir verbringen den ganzen Tag miteinander? Mittagessen, einkaufen – was du willst.«
»Mittwoch«, wiederholte sie. »Ich weiß nicht. Ich muss mal sehen. Aber warum nicht?« Sie klang zerstreut.
»Morgan, hör zu, wenn es tatsächlich etwas Wichtiges ist, dann musst du es mir sagen.«
»Nein, nein«, erwiderte sie. »Nein, ich wollte nur noch ein paar Dinge mit dir durchgehen. Wenn du zu viel zu tun hast, müssen sie eben warten. Nächsten Mittwoch. Gut.«
»Bist du dir ganz sicher?«
»Ja«, erwiderte sie. »Es ist wirklich nichts Wichtiges. Bis Freitag dann bei der Aufführung. Okay?«
Am Dienstag erhielt ich die endgültige Einladungsliste, und die Notiz dazu klang viel fröhlicher, mehr nach Morgan. Vielleicht war ja wirklich nichts. Ich überflog die Liste. Von unserer Seite
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