Herzraub
›Dallas‹-Schauspieler eine neue Leber braucht. Ich kann es Ihnen nicht in Prozenten sagen, aber es gibt alles: angeborene Herzdefekte, schlechter Lebensstil, verunglückte Blutübertragung …“
„Wie viele Organe werden eigentlich gebraucht?“
„Im letzten Jahr standen in Deutschland zirka 11.000 Menschen auf der Warteliste, und zirka 4.000 erhielten ein Organ.“
„Kein Wunder, dass man die Werbetrommel rührt.“
Laura Flemming stellte zwei Schalen mit Joghurt auf den Tisch. „Aber das reicht natürlich nicht. Und so versuchen etliche todkranke Reiche in den Industrieländern, sich Organe zu kaufen. Das Reservoir ist da: Hingerichtete in China, ermordete brasilianische Straßenkinder, Selbstmörder, Obdachlose, Staatenlose, Waisen …“
Danzik ließ seinen Dessertlöffel sinken.
„Entschuldigung. Jetzt verderbe ich Ihnen wirklich den Appetit. Das ist ja auch ein Thema für sich. Organhandel – da ist die Polizei gefragt.“
Der Kommissar seufzte auf. „Was mich betrifft, muss ich mich erstmal um den Fall Osswald kümmern. Wann ist eigentlich Ihr Buch fertig?“
Die Journalistin zwinkerte ihm zu. „Wenn Sie Ihren Mörder haben.“
Werner Danzik ergriff ihre Hand. „Laura – wann sehe ich Sie wieder?“
21
Doktor Rapp warf den Brief so heftig in Richtung Schreibtisch, dass er knapp daneben zu Boden segelte. Ächzend bückte er sich. Es war nicht zu fassen. Saalbach hatte seine Drohung wahrgemacht – der Brief war von seinem Anwalt, einem Heiner Wentorf. Dieser kleine miese Schmierenkomödiant. Eher schwach und labil hatte er auf ihn gewirkt, mit seinen weichen, verlebten Gesichtszügen und seiner tränenseligen Art. Und nun das. Ermittler würden erscheinen, und so weiter, und so weiter. Wieder würde man hier alles aufstören, die Arbeit behindern, ihnen mit Bürokratie und Schriftkram die Zeit stehlen. Wie bei der Lasbeck. Brigitte Lasbeck. Eine schreckliche Frau. Penetrant und anmaßend. Dabei überdurchschnittlich intelligent. Warum hatte sie ihre Intelligenz nicht vorher eingesetzt, als wir ihren Jungen zur Organspende haben wollten. Sie hätte ja ablehnen können. Keiner wird gezwungen, jeder kann frei entscheiden.
Doktor Rapp ging zu einem weißen Schrank hinüber und goss sich einen Whisky ein. Jetzt hatten sie in kurzer Zeit schon vier anwaltliche Fälle durchgestanden, dies war der fünfte. Natürlich war es immer zugunsten der Klinik ausgegangen, alles war bestens dokumentiert, sie standen auf dem Boden des Rechts. Allerdings – ohne Burkhard wären sie da nicht so gut rausgekommen. Burkhard Denecke, Staatsanwalt und inzwischen ein Beinahe-Freund.
Rapps Gedanken schweiften zurück. Kennen gelernt hatten sie sich, als sie diese junge Frau hier hatten, fast schon auf dem OP-Tisch, um zu explantieren, als sich leider herausstellte, dass sie auf ›nicht natürliche‹ Weise zur Hirntoten geworden war. Ein Fall für die Staatsanwaltschaft. Dann hatten Burkhard Denecke und er sich auf dem Golfplatz wieder getroffen. Hatten sich angefreundet. Und dann war plötzlich diese dramatische Nachricht in ihr Wochenend-Vergnügen eingeschlagen: Burkhard brauchte eine neue Leber.
Doktor Rapp blickte auf sein leeres Glas, um sich neu einzuschenken, stellte die Flasche aber wieder in den Schrank zurück. Eine neue Leber. Burkhard hatte es mit dem Trinken wirklich etwas übertrieben. Aber schlussendlich war ja alles gut gegangen. Er, der Leiter der Neurochirurgie des Sankt-Ansgar-Krankenhauses, hatte seine Kontakte zum Hamburger Transplantationszentrum spielen lassen, er war schließlich ein zuverlässiger Organlieferant, und binnen weniger Wochen hatte Burkhard eine astreine Leber bekommen. Klar, dass da all diese nervigen Spenderangehörigen, die hinterher zu reuigen Sündern mutierten, keine Chance hatten, mit ihren dubiosen Anzeigen etwas zu erreichen.
Der Arzt grinste vor sich hin. Burkhard würde auch dieses Mal wieder helfen. Der dankbare Burk-hard. Trotzdem war diese NZO-Gruppe, die ihr
›Nein zur Organspende‹ übers Internet in die Öffentlichkeit schleuderte, nicht zu unterschätzen. Es wurden immer mehr, und nun war selbst der armselige Claus Saalbach dort schon aufgelistet. Am schlimmsten gebärdete sich allerdings diese Lasbeck. Auf jedem Kirchentag tauchte sie auf, auf jedem Seminar, auf jeder Tagung, um ihr zersetzendes Infomaterial unter die Leute zu bringen. Wer weiß, wie viele potenzielle Spender ihnen dadurch schon verloren gegangen waren … Burkhard hatte eine
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