Herzraub
Auskunft.“
„Wann kann ich gehen?“
Danzik lächelte. „Jetzt, sofort. Draußen warten auch schon zwei Herren auf Sie.“
Brigitte Lasbeck raffte die wenigen Sachen zusammen und warf sie in den kleinen Koffer. Danzik stand daneben. „Für Ihre Herz-Operation jedoch – “
Die Lasbeck sah ihn verständnislos an.
„Für das, was Sie mit dem Herzen der Ermordeten gemacht haben, wird man Sie allerdings noch zur Rechenschaft ziehen. Störung der Totenruhe. Außerdem haben Sie, und das bei einem Kapitalverbrechen, ganz erheblich die polizeilichen Ermittlungen behindert. Sie müssen auf jeden Fall mit einer saftigen Geldstrafe oder sogar mit Haft auf Bewährung rechnen.“
Brigitte Lasbeck ging nicht darauf ein. Mit dem Koffer in der Hand strebte sie zur Tür, die ihr der Kommissar aufhielt.
„Machen Sie’s besser“, sagte Danzik und reichte ihr die Hand.
„Danke.“
Im Gang warteten die beiden angekündigten Herren, und sie blieb unsicher stehen. Claus Saalbach stürzte sofort auf sie zu und umfasste ihre Schultern, sein Freund und Anwalt Heiner Wentorf zeigte nur ein selbstgefälliges Grinsen und sagte: „Herzlichen Glückwunsch!“
Brigitte Lasbeck lächelte erschöpft. Saalbach nahm ihr den Koffer ab und legte den Arm um sie. Zum ersten Mal genoss sie es, empfand dankbar eine Geborgenheit, die sie sich lange nicht mehr zugestanden hatte.
Laura Flemming schaltete den Computer aus. Sie ging ins Wohnzimmer, schenkte sich einen ›Grünen Veltliner‹ ein und ließ sich auf ihr Korbsofa fallen. Geschafft! Eben hatte sie die letzte Zeile ihres Sachbuches ›Or-ganlager Mensch‹ geschrieben.
Gut, dass es eine Auftragsarbeit war. Zeitlich limitiert, das war bei ihrem Hang zur Faulheit nur nützlich, das Honorar stand fest – so ließ es sich leben. Dennoch war es ein immenser Kraftakt gewesen. Die komplizierte Materie, das Mauern einiger Interviewpartner, die ermüdende Überzeugungsarbeit bei den prinzipiell Gesprächsunwilligen – aber es hatte sich gelohnt. Je länger sie sich hineingearbeitet hatte, desto mehr war ihr die Thematik ›ans Herz gewachsen‹. Was für eine passende Metapher für diese Organspende-Problematik, bei der das mythische Zentrum des Menschen, das Herz, so entzaubert und nur noch wie eine Maschine behandelt wurde.
Ihr Werk war fertig, auf dem neuesten Stand der zugänglichen medizinischen Erkenntnisse. Jetzt mussten es noch ein paar Mediziner gegenlesen, mussten prüfen, ob ihre populärwissenschaftliche Sprache den Inhalt nicht verfälschte. Aber das kannte sie ja. Früher hatte sie mal bei einer Medizin-Zeitschrift gearbeitet. Ein Chirurg, ein Neurologe und eine Anästhesistin würden es lesen. Natürlich solche, die transplantationskritisch eingestellt waren. Gab es Sachbücher ohne Tendenz? Ohne Meinung? Ohne das Fundament einer Lebenshaltung? Nein. Und sie war froh darüber. Vielleicht konnte sie etwas bewegen. Vielleicht erreichte das Buch noch weitere Kreise …
Laura Flemming nahm erneut einen Schluck Wein, ließ ihn genießerisch durch die Mundhöhle gleiten. Natürlich würde es einen Aufstand der ›Gegenseite‹ geben. Die Transplantierten selbst, mit ihrem ungehemmten Anspruchsdenken, machten Andersdenkende ja bereits auf ›Kirchentagen‹ und anderen DSO-Events fertig. Dann die Operateure. Ein Leber-Chirurg hatte kürzlich die Diplomarbeit eines transplantationskritischen Psychologen torpediert, von Professor zu Professor sozusagen; einer Wissenschaftlerin hatte man Hindernisse bei ihrer Habilitation in den Weg gelegt, und sie selbst – ja, sie selbst hatte bereits ein Schwei-neherz plus Drohbrief erhalten.
Zum Glück war seitdem nichts weiter passiert. Sie hatte Anzeige gegen ›Unbekannt‹ erstattet. Und im Übrigen würde ihr Werner Danzik schon helfen, auch wenn er diesem Thema durchaus kritisch gegenüberstand und auch die ›andere‹ Seite nicht außer Acht ließ. Werner. Laura Flemming lächelte versonnen. Gleichzeitig spürte sie, wie sich ihr Herzschlag beschleunigte und ein plötzlicher Sog ihren Magen aufwühlte. Oh Gott, sie war ja aufgeregt. Elendig aufgeregt. Warum musste es einem immer so schlecht gehen, wenn man sich verliebte? Es war so angenehm gewesen, nur cool zu registrieren, wie Männer begehrlich auf ihre Attraktivität reagierten, mal mit ihnen essen zu gehen, um den eigenen Marktwert zu checken. Im Höchstfall mit ihnen zu spielen, um sie wieder fallen zu lassen. Ganz schön dramatisch war es allerdings geworden, als zwei
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