Herzschlagzeilen
vor unserer Haustür und ich ziehe sie schnell in mein Zimmer.
»Danke, dass du so schnell gekommen bist, ich bin echt verzweifelt!«, begrüße ich sie.
»Nicht verzagen, Nina fragen, Tierärztin aus Leidenschaft, wo tut’s denn weh?« Nina schiebt sich an mir vorbei in meine Zimmerhälfte. Zum Glück ist Kiki gerade mit ihren Freundinnen in der Eisdiele.
»Ich brauche keine Tierärztin, ich brauche eine Stylistin«, jammere ich, während meine Freundin den Inhalt ihrer Sporttasche auf mein Bett schüttet. Und dann erzähle ich ihr etwas detaillierter von meinem Problem.
»Und die wollen echt, dass du als Praktikantin gleich am ersten Tag einen Bericht schreibst?«
Kurz überlege ich, ob Ninas Verwunderung nicht ein Grund wäre, beleidigt zu sein. Traut mir meine allerbeste Freundin so wenig zu?
»Ja. Na ja. Nein. Oder doch. Dieser Redakteur ist wohl verhindert. Und sie brauchen nur drei bis fünf Zeilen, meinte sie. Es kommt noch ein Fotograf.«
»Fotograf? Super! Dann sieh zu, dass du neben dem Bürgermeister stehst!«
»OBERbürgermeister«, korrigiere ich sofort. »Nina, bevor ich überhaupt irgendwo stehe, brauche ich was Passendes zum Anziehen. In meinem Schrank ist nur Schrott, aber meine Eltern sehen das nicht ein. Seit mein Vater jeden Tag nur mit diesen Pennern abhängt, hält er die Altkleidersammlung hier offenbar für gut genug.«
»Ist Colin eigentlich zu Hause?«, unterbricht Nina meinen Redeschwall. Colin? Verwirrt gucke ich meine Freundin an. Was hat mein Bruder mit meinem Kleiderproblem zu tun?
»Keine Ahnung. Warum?«
»Nur so.« Nina zuckt mit den Schultern und wühlt betont gelangweilt in dem Klamottenberg auf meinem Bett. Kritisch beobachte ich Nina, aber da zieht sie schon etwas aus dem Stapel und hält es ans Licht. Und zwei Minuten später stehe ich nur noch mit Unterwäsche bekleidet im Zimmer und probiere ein Teil nach dem anderen aus Ninas Fundus an.
»Isa?«
Ich fahre herum.
»Colin???«
Hektisch greife ich nach dem nächstbesten Stück Stoff und halte es mir vor den nackten Bauch.
»Sag mal, geht’s dir noch ganz gut? Schon mal was von anklopfen gehört?«
Wie oft soll ich diese Frage in meiner Familie eigentlich noch stellen?
Colin, der jetzt mitten im Zimmer steht, grinst, und ich folge seinem Blick. Erst jetzt sehe ich, dass der Stoff in meiner Hand bestenfalls ein Stringtanga ist. Schnaubend lasse ich ihn fallen, fische mein Garfield-Shirt vom Fußboden und zerre es mir über den Kopf.
»Was wird denn das hier?«, fragt Colin, mustert mich von oben bis unten und sieht dabei kein bisschen verlegen aus. Was erstaunlich ist. Colin ist zwar mein Bruder, aber halb nackt hat er mich das letzte Mal gesehen, als wir zusammen im Planschbecken saßen und uns gegenseitig die Schippe auf den Kopf gehauen haben.
»Hi, Colin«, meldet sich Nina von meinem Bett.
»Hi, Nina!« Colin macht Anstalten, mein Zimmer endgültig zu betreten.
»Könntest du jetzt bitte wieder gehen?« Energisch schiebe ich meinen Bruder Richtung Tür.
»Wir suchen was zum Anziehen für Isas Treffen mit dem Oberbürgermeister.«
Was ist denn in Nina gefahren? Es geht meinen Bruder überhaupt nichts an, was wir tun oder nicht tun.
»Du triffst den Oberbürgermeister? Wo denn?« Colin mustert mich skeptisch.
»Wenn du nicht gleich aus meinem Zimmer verschwindest, dann treffe ich
dich
«, zische ich. »Und zwar da, wo’s wehtut.«
Colin hebt abwehrend die Hände. »Schon gut, schon gut. Ich störe euch nicht weiter bei eurer Modenschau.« Er winkt Nina zu. »War der String von dir? Hübsche Farbe!«
Ich schiebe Colin endgültig aus dem Zimmer und knalle die Tür hinter ihm zu.
»Was bitte war das denn?« Genervt drehe ich mich zu Nina um. Und erstarre. Irre ich mich oder sieht sie enttäuscht aus? Mein Mund klappt auf, ich gucke zu Nina, dann wieder auf die Tür, zurück zu Nina. Mein Mund klappt wieder zu. Aber nur kurz.
»Nina?« Bingo. Meine allerbeste Freundin wird rot. »Nina, sag mir bitte, dass das jetzt nicht wahr ist.«
Nina muss gar nichts sagen. Ihr Blick spricht Bände.
»Das glaub ich ja nicht!« Da mein Schreibtischstuhl im Moment aussieht wie eine Sammelstelle vom Roten Kreuz, lasse ich mich einfach auf den Fußboden sinken.
»Meine allerbeste Freundin ist in meinen
Bruder
verknallt.«
»Bitte, Isa, es ist nicht so, wie du denkst.«
»Ich denke gar nichts.«
»Ich bin nicht in deinen Bruder verknallt.«
»Wie lange schon?« Tatsächlich glaube ich Nina kein Wort. Dafür
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