Herzschlagzeilen
kleinen hellblauen Delfinen. Fluchtartig verlasse ich die Redaktion.
Und jetzt? Shoppen gehen will ich jetzt ganz bestimmt nicht. Außerdem ist es dafür noch viel zu früh, die Läden haben ja noch nicht einmal geöffnet. Also wieder nach Hause.
Ich beschließe, das Beste aus der Situation zu machen und zu Hause schon mal ein bisschen an meinen Artikeln für die nächste
Brennpunkt
zu arbeiten. Außerdem kann ich vielleicht noch meine Recherchen über Marc Behrendt vertiefen. Mit einem Mal bin ich »
Wefi
« fast dankbar, dass er mich so versetzt hat. Einen freien Vormittag bekommt man schließlich nicht jeden Tag geschenkt.
Ich schließe mein Rad vor unserem Haus ab und nehme im Treppenhaus zwei Stufen auf einmal. Am liebsten würde ich jetzt fröhlich vor mich hin singen, aber ich kann mich gerade noch beherrschen. Ich schließe die Wohnungstür auf und hoffe, dass Papa noch schläft, damit ich ungestört in mein Zimmer gehen kann. Er soll am besten gar nicht mitkriegen, dass ich wieder zu Hause bin. Bestimmt fallen ihm sonst tausend Kleinigkeiten ein, die ich mal eben erledigen kann, und dann war’s das mit meinem freien Vormittag.
Alles ruhig. Von Papa ist weder etwas zu sehen noch zu hören. So leise wie möglich schließe ich die Tür hinter mir und schleiche durch den Flur zu meinem – pardon, unserem – Zimmer. Ich werde mich nie daran gewöhnen, ein Zimmer mit meiner Schwester zu teilen.
Ich öffne die Tür und bleibe wie erstarrt stehen. In unserem Zimmer ist jemand. Jemand, der leise vor sich hin summt. Mama. Langsam nähere ich mich dem Regal, das unsere Zimmerhälften voneinander trennt, und gucke um die Ecke. Meine Mutter steht in ein großes Badehandtuch gehüllt vor meinem Spiegel und hält sich irgendein Kleid vor die Brust. Auch um ihren Kopf hat sie ein Handtuch wie einen Turban geschlungen. Das Kleid, das sie da vor sich hält, ist eigentlich nicht wirklich ein Kleid, es ist bestenfalls ein … ja, was eigentlich? Wie nennt man etwas, das für ein Kleid zu wenig und für ein Unterhemd zu viel Stoff hat? Auf jeden Fall ist es sicher nichts, was Mama im Buchladen tragen kann. Und überhaupt, wieso ist sie noch zu Hause? Sie müsste doch schon längst im Laden stehen? Und wieso ist sie in meinem Zimmer? Sie hat doch einen eigenen Spiegel im Schlafzimmer.
Ich will gerade den Mund aufmachen, als meine Mutter sich zu mir umdreht und erschrocken aufkreischt.
»Isa! Was machst du denn hier?«
Mir fällt auf, dass sie das Stück Stoff in ihrer Hand sofort hinter ihrem Rücken verschwinden lässt.
»Genau das wollte ich dich auch gerade fragen, Mama. Was machst du hier? Und warum bist du nicht im Buchladen?«
»Moment.« Meine Mutter hat ihre Fassung schneller wiedergewonnen als ich. »Noch bin ich deine Mutter und nicht umgekehrt und noch stelle ich hier die Fragen. Wieso bist du nicht beim
Stadtanzeiger
? Sollte heute nicht dein Praktikum anfangen?«
Ich erkläre ihr schnell, wieso ich wieder zu Hause bin. Und dass ich jetzt eigentlich was für die Schülerzeitung schreiben wollte.
Mama zwinkert mir zu. »Ich hab schon verstanden. Keine Sorge, Papa schläft noch. Deshalb musste ich mir ja auch deinen Spiegel ausleihen.« Sie nickt mit dem Kopf in Richtung meines Kleiderschranks, knüllt das Stück Stoff in ihrer Hand noch fester zusammen und begibt sich zur Tür.
»Ich sollte mir jetzt auch endlich mal was Richtiges anziehen und mich auf den Weg machen«, sagt sie und weg ist sie.
Was bitte war das? Ich starre meiner Mutter hinterher und versuche zu verstehen, was da eben passiert ist.
Das Klingeln meines Handys reißt mich aus meinen Gedanken. Wer ruft mich denn jetzt an? Ich zerre das Teil aus meiner Tasche und werfe einen Blick auf das Display.
Luke
leuchtet auf der Anzeige auf. Wieso ruft Luke jetzt an? Sollte der nicht auch bei seinem Praktikum sein? Was war das noch mal? Ich weiß genau, dass er es uns erzählt hat, aber mein Kopf ist ein einziges Vakuum. Irgendwie habe ich Luke in letzter Zeit wirklich ziemlich vernachlässigt. Trotz allem ist er ja ein prima Kumpel. Und mir reicht das auch, ich bin mir nur seit ein paar Wochen nicht mehr so sicher, ob es auch Luke reicht. Seit dem Kuss ist er auf einmal so anhänglich geworden. Okay, bis auf Samstag. Da hing er zumindest nicht an mir. Ich sehe ihn wieder mit diesem Mädchen vor mir und schüttele hektisch meinen Kopf. Kann dieses Bild jetzt bitte aus meinen Gehirnwindungen verschwinden? Schließlich brauche ich meinen
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