Herzschlagzeilen
sitzen. Dem Namensschild auf dem Tresen entnehme ich, dass die Fee Rosa Wachsmuth heißt. Rosa. Wie passend. Ich kann mir ein Grinsen nicht verkneifen.
»Hallo, junge Frau!« Rosa-Tinkerbell wedelt mit einem Kugelschreiber vor meinem Gesicht herum. Ich würde mich kein bisschen wundern, wenn aus seiner Spitze ein Sprühregen aus Sternchen und Funken käme. Verwirrt betrachte ich Tinkerbells Brüste, die rosig wie reife Pfirsiche in dem tiefen Ausschnitt auf und ab hüpfen.
»Zu wem wollen Sie?«
Ich zwinge mich, meinen Blick von dem rosa Dekolleté loszureißen.
»Fischer. Redakteur Werner Fischer. Wir haben einen Termin.« Ich versuche, mich ein bisschen größer zu machen und erwachsener auszusehen. Rosa-Tinkerbell lacht wieder ihr glockenhelles Lachen.
»Das muss ein Irrtum sein, junge Frau. Es ist ja noch nicht mal neun Uhr.«
»Ja und?«
»Herr Fischer kommt selten vor elf Uhr in die Redaktion. Wenn er überhaupt kommt«, fügt sie grinsend hinzu. »Es kann also gar nicht sein, dass sie jetzt mit ihm verabredet sind.« Triumphierend schaut sie mich an. Dann runzelt sie die Stirn. »Was wollen Sie überhaupt von ihm?«
»Ich bin seine neue Praktikantin.« Ich wühle in meiner Tasche nach dem Bestätigungsschreiben der Redaktion und reiche es der Dame über den Tresen. Tinkerbell wirft einen kurzen Blick darauf. Dann seufzt sie theatralisch. Die Pfirsiche erbeben wieder.
»Ach herrje, eine Praktikantin. Ja, was mache ich denn jetzt mit Ihnen?«
Fast bin ich geneigt, ihr einen Deal mit einem Kürbis, einer Kutsche und einer rauschenden Ballnacht vorzuschlagen. Stattdessen zucke ich etwas hilflos mit den Schultern. Ganz so hatte ich mir meinen Empfang in der Redaktion ja nicht vorgestellt. Mein Gegenüber blättert ratlos in einem Terminkalender, klickt dann wieder auf dem Rechner herum und starrt auf den Monitor.
»Der
Wefi
hat irgendwie vergessen, Sie einzutragen. Und ich hab jetzt auch niemanden hier, der Sie rumführen und Ihnen den Laden zeigen könnte. Vielleicht sollte ich Sie in den Newsroom … hm … nein – warten Sie. Wir haben da irgendwo so ein Informationsblatt …« Tinkerbell öffnet eine ihrer Schubladen und kramt darin herum. Die Nähte ihres pinkfarbenen Kleids knirschen bedenklich. Endlich taucht sie aus der Versenkung wieder auf und drückt mir ein Blatt Papier in die Hand.
Sockentabelle. Feine Wolle 4-fädig, Nadelstärke 2,5 …
»Ähm … ich soll stricken?«
»Stricken? Ach Gott, Kindchen.« Wieder ertönt das glockenhelle Lachen. »Wie kommen Sie denn darauf?«
Ich halte Tinkerbell das Din-A4-Blatt hin.
»Ups, wo kommt das denn auf einmal her?« Tinkerbell reißt den Zettel an sich, als handele es sich um streng vertrauliche Dokumente zur Staatssicherheit. Dann taucht sie wieder in die Versenkung ab.
»Ah … hier … das ist das Richtige. Und wissen Sie was?«
Ich schüttele den Kopf.
»Heute ist doch die Sitzung von dieser Bürgerinitiative, da geht der
Wefi
bestimmt hin. Und dann ist noch der Fototermin bei den White Wings, das wollte er auch selbst machen. Wo er doch ihr größter Fan ist.« Verschwörerisch blinzelt die Rosa-Tinkerbell mir zu. Dabei kann ich sehen, dass sie tatsächlich rosafarbenen Lidschatten mit Glitzereffekt benutzt. Ich verstehe nur Bahnhof. Ich habe keine Ahnung, wovon sie redet. Sie reicht mir einen Zettel mit der Überschrift »Konzept für Praktikanten beim
Stadtanzeiger
«.
»Gehen Sie mal schön wieder nach Hause oder ein bisschen shoppen oder so. Und um vierzehn Uhr gehen Sie zum Goldenen Schwan, da trifft sich die Bürgerinitiative zum Schutz der Pappelallee, da ist der
Wefi
auf jeden Fall.«
»Der wer?« Ich stopfe den Zettel in meine Tasche.
»Der
Wefi
. Ach so. Der Werner Fischer.
Wefi
ist sein Kürzel, die Redakteure haben hier alle Kürzel. Wie heißen Sie?« Sie schiebt ihre Brille zurecht und studiert noch mal meine Zusage, die sie immer noch in der Hand hält. »Ah, Isa Heimbucher. Na, da werden Sie bestimmt eine
Ihei
.« Sie kichert albern und greift zum Telefon. »Also, vierzehn Uhr, Goldener Schwan«, flötet Tinkerbell, »und wenn der
Wefi
nicht kommt, machen Sie einfach den Bericht. Alles klar?«
Sie zwinkert mir zu, und ich muss mich beherrschen, um nicht zurückzuzwinkern. Ich warte einen Moment, ob die Empfangsdame des
Stadtanzeigers
mir vielleicht noch irgendetwas sagen will, aber sie dreht sich von mir weg und plappert fröhlich in den Telefonhörer. Selbst ihre Fingernägel sind pink, fällt mir auf, verziert mit
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