Herzschlagzeilen
möglich auszusehen. Kikis Hilflosigkeits-Tipp kommt mir in den Sinn.
»Die Kindergarteneinweihung. Ich wollte mich bei dir entschuldigen. Es war echt dumm von mir, dass ich dich nicht gleich erkannt habe.« Ich fühle mich schrecklich, aber offensichtlich habe ich genau das Richtige gesagt.
Marc reißt die Augen auf und betrachtet mich neugierig. Sein Blick fühlt sich an wie Röntgenstrahlen auf meiner Haut. Als seine Augen auf meinem Ausschnitt hängen bleiben, der mir plötzlich doch etwas gewagt vorkommt, würde ich am liebsten einfach davonlaufen.
»Das im Kindergarten …« Erstaunt nehme ich zur Kenntnis, dass es auch Mister Perfect mal die Sprache verschlagen kann. »Das im Kindergarten, das warst du?« Jetzt scheint er sie wiedergefunden zu haben. Seine Manieren allerdings sind dabei wohl auf der Strecke geblieben, denn er mustert mich ungefähr so unverschämt, als stünde ich zum Verkauf.
»Ja, das war ich. Und noch mal, es tut mir leid. Es war mein erster Auftrag und ich war wahnsinnig aufgeregt«, flöte ich, so wie ich mir vorstelle, dass eins von diesen Mädchen aus Kikis Büchern flöten würde.
Irre ich mich oder wirkt Marc irgendwie erleichtert? Jetzt atmet er sogar besonders tief aus. War ich wirklich so unerträglich am Samstag? Fast will ich ihm irgendetwas Beleidigendes an den Kopf werfen, da nehme ich hinter Marc eine Bewegung wahr. Oh nein, bitte, nur das nicht. Nicht jetzt!
Luke nähert sich mit energischen Schritten. Offenbar hat er mich gesehen, denn er winkt mir schon. Irgendjemand legt in diesem Moment in meinem Kopf einen Schalter um. Zieht einen Stecker. Sorgt für einen totalen Kurzschluss. Anders kann ich mir das, was jetzt passiert, nicht erklären. Ich packe Marc bei den Oberarmen, ziehe ihn zu mir und küsse ihn mitten auf den Mund. Aus den Augenwinkeln sehe ich mit Genugtuung, wie Luke so abrupt stehen bleibt, als wäre er gegen eine unsichtbare Glaswand geprallt. Ich spüre, wie Marc sich kurz versteift, sehe, wie er überrascht die Augen aufreißt, und fühle dann plötzlich, wie er mir entgegenkommt und mich an sich zieht. Zum Glück tut er das, denn ohne seine Arme um mich herum wäre ich jetzt einfach ohnmächtig zu Boden gesunken. Marc lässt sich nämlich nicht einfach nur von mir auf den Mund küssen – er küsst mich zurück. Mit sanftem Druck öffnet seine Zunge meinen Mund und er zieht mich noch fester zu sich.
Was mache ich da eigentlich? Es dauert einen Moment, bis ich Marcs Lippen auf meinen und seine Zunge in meinem Mund tatsächlich realisiere. In meinem Körper flattern alle Schmetterlinge durcheinander, knallen abwechselnd gegen den Magen, die Leber und die Milz und denken gar nicht daran, sich auf einen Bereich zu beschränken. Vorsichtig blinzele ich unter meinen halb geschlossenen Lidern hindurch und sehe mitten in Marcs strahlend blaue Augen. Vor Schreck weiche ich ein Stück von ihm zurück und Marc lässt mich erst mal los.
»Wow!«, sagt er und grinst mich an. »Warum hast du das nicht schon am Samstag gemacht?«
»Am Samstag hattest du ein vollgekotztes T-Shirt an, das war mir zu eklig«, kontere ich und Marc lacht. Von Luke ist nichts mehr zu sehen.
»Tja, also … Ich hab jetzt zwei Freistunden. Hast du Lust auf ein Eis?«
Aha. Das Vogelmännchen beginnt seinen Balztanz.
Ich kann gar nichts sagen. Nur nicken. Und Marc nimmt wie selbstverständlich meine Hand.
Zum Glück sind mittlerweile die meisten Schüler zurück in ihren Unterricht gegangen. Trotzdem ist mir klar, dass uns zahlreiche Blicke neugierig folgen, als wir Hand in Hand zuerst das Schulgebäude und dann den Schulhof verlassen. Ich, Isa Heimbucher, laufe Händchen haltend mit Marc Behrendt durch die Stadt. Schade eigentlich, dass Nina nicht irgendwo in der Nähe geblieben ist und das sehen kann.
Erst kurz vor der Eisdiele fällt mir siedend heiß ein, dass ich überhaupt kein Geld dabeihabe. Ich zögere einen Moment, beschließe dann aber, dass Frau von Welt ganz selbstverständlich davon ausgeht, dass der Herr zahlt. Marc wird das nicht anders kennen, beruhige ich mich.
Wer hätte gedacht, dass ein einfaches Eisessen so gemütlich und schön sein kann? Zwar lässt Marc meine Hand sofort los, sobald wir die Eisdiele erreicht haben, aber er schiebt mir den Stuhl zurecht, lässt mich zuerst aus der Karte aussuchen und bestellt sehr höflich für uns beide.
Na bitte, Isa, du hast es geschafft
. Stolz sehe ich mich um, ob nicht wenigstens ein paar Leute aus unserer Schule hier
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