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Hesse-ABC

Hesse-ABC

Titel: Hesse-ABC Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Decker
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Ernstnehmen nicht, wir lieben den Spaß.
    Der Ernst, mein Junge, ist eine Angelegenheit der Zeit; er ent-
    steht, soviel will ich dir verraten, aus einer Überschätzung der
    Zeit. Auch ich habe den Wert der Zeit einst überschätzt, darum
    wollte ich hundert Jahre alt werden. In der Ewigkeit aber, siehst
    du, gibt es keine Zeit; die Ewigkeit ist bloß ein Augenblick, gerade
    lang genug für einen Spaß.« Der Goethe aus dem Steppenwolf-
    Traum wird im »Glasperlenspiel« gleichsam wiedergeboren: als
    »Altmusikmeister« – als Vollendeter. Wie überhaupt das
    ↑ Kastalien des ↑ » Glasperlenspiels « ganz der ↑ » pädagogischen
    Provinz« au s dem »Wilhelm Meister« nachempfunden ist.
    Warum aber ist Goethes Gesicht das eines Chinesen? Weil Goethe
    für Hesse das erfüllt, was Tschuang-Tse formuliert hat: »Der Voll-
    endete versöhnt Yin und Yang, die die Ureinheit des Seins zer-
    schneiden.« Hier transformiert sich das Ideal vom »androgynen
    Adam«, das wir aus Jakob Böhmes Mystik kennen, in die Gestalt
    des ↑ Hermaphroditen . Hesse vergleicht den alten Goethe mit Leo-nardo da Vinci. Von diesem strahle »ein ähnliches Geheimnis aus,
    gefährlich lockend wie der Reiz eines Hermaphroditen ...«. Hinter
    dieser Unio mystica, der Gottwerdung des Menschen und Ver-
    menschlichung Gottes als Doppelbewegung, steht bei Hesse ein
    pantheistisches Ideal: die Versöhnung von Geist und Natur – und
    damit auch die Überwindung der Zweigeschlechtlichkeit des Men-
    schen in einer höheren Einheit: dem »vollkommenen Menschen«.
    Das ist die Verbindung der pietistisch-mystischen Tradition, die
    Hesse vertraut ist, mit dem östlichen Denken in der Gestalt Goe-
    thes: »Deshalb ist der greise Goethe nicht mehr das bürgerliche
    Individuum Goethe, er ist kein Sammler und Minister, kein Dichter
    und Literat, oder viel mehr: er ist das alles und noch mehr, er ist
    das All, ist Universum, ist Tao.«

    Goethestudien
    Obwohl in Abwehr zu allem, was sich »klassisch«, also für die
    Ewigkeit befestigt gibt, liebt Hesse den, der gemeinhin als größter
    deutscher Klassiker gilt: ↑ Goethe. Für Hesse aber verkörpern die
    »Leiden des jungen Werther« und der »Wilhelm Meister« immer
    auch etwas Romantisches. Goethe gilt ihm als ein großer Mittler
    von ↑ » Innen und Außen «. Hesses lebenslange Begeisterung für Goethe beginnt früh. Bereits als vierzehnjähriger Seminarist in
    Maulbronn begründete er ein Klassenjahrbuch für Goethestudien.
    Aber weil er nicht genug geeignete Mitarbeiter für ein solches
    fand, ging dieses schnell wieder ein.

    Gotama
    Der Erleuchtete. Als erhabener ↑ Buddha sammelt er Sch üler um sich. Auch ↑ Siddharthas Jugendfreund ↑ Govinda folgt ihm. Bei
    Siddhartha jedoch blitzt der Besitzer der göttlichen Wahrheit ab.
    Siddhartha hält nichts von einer »Zuflucht zur Lehre«, denn er
    glaubt nicht, daß sie mehr als Worte enthält. Das sagt er dem Go-
    tama auch ins Gesicht: »Du hast die Erlösung vom Tode gefunden.
    Sie ist dir geworden aus deinem eigenen Suchen, auf deinem ei-
    genen Wege, durch Gedanken, durch Versenkung, durch Erkennt-
    nis, durch Erleuchtung. Nicht ist sie dir geworden durch Lehre!
    Und – so ist mein Gedanke, o Erhabener – keinem wird Erlösung
    zuteil durch Lehre! Keinem, o Ehrwürdiger, wirst du in Worten
    und durch Lehre mitteilen und sagen können, was dir geschehen
    ist in der Stunde deiner Erleuchtung!« Hier steht Nietzsches »Fol-
    ge nicht mir, folge Dir nach!« im Raume: die Selbsterziehung des
    freien Geistes durch Erfahrung. Nur in der Intensität des Moments
    scheint eine Identität von Ich-Wissen mit Welt-Wissen auf. Das ist
    der mystische Punkt, um den Hesse kreist: Erkenntnis als Moment
    der Erleuchtung, die das Kleinste mit dem Größten zusammen-
    bringt!

    Govinda
    Der höchst eifrige Freund ↑ Siddharthas . Einer, der immer geführt werden will, sich bekennen und einer Lehre dienen will. Kein freier Geist, sondern ein Priester-Typus (wie auch der Klosterbruder
    Narziß). Ein ewiger Seminarist, für den das Leben eine Schulauf-
    gabe bleibt, die er mustergültig löst. Zudem unbedingt gutwillig.
    Jedoch vermag so ein kreuzbraver Geist, der bei Siddharthas an-
    archistisch-mystischen Reden immer ängstlich zusammenzuckt,
    allein die aussprechbare Tagseite des Lebens zu verstehen, nie die
    zu beschweigende Nachtseite. So fallen die Worte, die ihm Sidd-
    hartha entgegenruft, auf unfruchtbaren Boden. Das Wissen, das
    er, Siddhartha, zu

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