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Hesse-ABC

Hesse-ABC

Titel: Hesse-ABC Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Decker
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nach Kriegsende erreichte das »Glasperlenspiel« seine Leser
    in Deutschland. Alle Fragen der literarischen Bewertung traten
    einen Augenblick zurück hinter der erregenden geistigen Ausein-
    andersetzung, die Hesses Alterswerk bot und verlangte.« Das ist
    wohl der Schlüssel zu einer gerechten Beurteilung dieses merk-
    würdigen Buches. Denn es enthält immer noch Glasperlen. Und
    die Ahnung, daß wir uns am Endpunkt einer Entwicklung befin-
    den, der eine bis zum Grunde gehende Besinnung auf unsere kul-
    turellen Bestände unausweichlich macht, sie ist für uns noch
    drängender als für Hesse geworden, der in seiner Kritik des »feuil-
    leto-nistischen Zeitalters« resümiert: »Aber so leicht es ist, belie-
    bige Abschnitte der Vergangenheit in die Weltgeschichte schön
    und sinnvoll einzuordnen, so unfähig ist jede Gegenwart zu ihrer
    Selbsteinordnung, und so griff damals, bei raschem Sinken der
    geistigen Ansprüche und Leistungen bis zu einem sehr beschei-
    denen Niveau, gerade unter den Geistigen eine furchtbare Ver-
    zweiflung und Unsicherheit um sich. Soeben hatte man entdeckt
    (eine seit Nietzsche schon da und dort geahnte Entdeckung), daß
    es mit der Jugend und der schöpferischen Periode unserer Kultur
    vorüber, daß das Alter und die Abenddämmerung angebrochen
    sei, und aus dieser plötzlich von allen gefühlten und von vielen
    schroff formulierten Einsicht erklärte man sich so viele beängsti-
    gende Zeichen der Zeit: die Mechanisierung des Lebens, das tiefe
    Sinken der Moral, die Glaubenslosigkeit der Völker, die Unechtheit
    der Kunst.« Hesse hört nun wie in einem alten chinesischen Mär-
    chen die »Musik des Untergangs« – einer Welt, die aus ihrer Ba-
    lance gekippt ist. Inbegriff einer solchen formlos-dekadenten
    Musik der viel zu vielen Töne sind für ihn Brahms und vor allem
    ↑ Wagner.
    Wie kann sich der Einzelne zu dem Harmonieverlust der ihn um-
    gebenden Welt – das Zunehmen von Entfremdung – verhalten?
    »Es gab verschiedene Haltungen diesem eingedrungenen und
    nicht mehr hinwegzuzaubernden Feinde gegenüber. Man konnte
    die bittere Wahrheit schweigend erkennen und sie stoisch ertra-
    gen, das taten manche der Besten. Man konnte sie wegzulügen
    versuchen, und dazu boten die literarischen Verkünder der Lehre
    vom Untergang der Kultur manchen bequemen Angriffspunkt...
    Außerdem gab es gegen die große Untergangsstimmung noch die
    zynische Haltung, man ging tanzen und erklärte jede Sorge um die
    Zukunft für altväterliche Torheit, man sang stimmungsvolle Feuil-
    letons über das nahe Ende der Kunst, der Wissenschaft, der Spra-
    che...« Letzteres ist die Hesse nun selbst etwas verantwortungslos
    scheinende amoralische »Steppenwolf«-Welt des »magischen
    Theaters«, des Lachenlernens über die Dummheit der Welt. Hesse
    hatte in seinen ↑ Züricher Win tern der zwanziger Jahre sich verzweifelt-vergnügungssüchtig ins Nachtleben gestürzt und auch
    Tanzen gelernt. Das alles, die so heiter wie möglich vollführte Ver-
    zweiflungsgebärde, sie reicht Hesse nicht mehr: Er will nach so
    vielen Fragen endlich auch Antworten. Die findet er nun etwa bei
    ↑ Goethe in der ↑ » pädagogischen Provinz « und bei ↑ Laotse. So is t es wiederum Hesses große Alterseinsicht, daß allein die ↑ Musik
    als Spiegel der Weltharmonie eine kulturelle Heilung im Sinne
    einer Unio mystica herbeizuführen vermag.

    Glaube
    Seine Bekenntnisschrift »Mein Glaube« hat Hesse 1931 verfaßt.
    Hier faßt sich seine ganze Glaubenserfahrung zusammen, die zu-
    gleich eine Erfahrung der Glaubensskepsis ist. Nein, ein konfes-
    sionelles Glaubensbekenntnis will Hesse nicht ablegen, alle Kirche
    ist ihm fremd bis verhaßt. Auch um Dogmen und Rituale kümmert
    er sich wenig. Gleich zu Beginn verweist er auf ↑ » Siddhartha «:
    »Ich habe das geistige Indertum ganz ebenso von Kind auf einge-
    atmet und miterlebt wie das Christentum.« Es war ein Hauch von
    weiter exotischer Welt, der da aus der großväterlichen Gundert-
    Welt in den engen pietistisch-protestantischen Missionshaushalt
    der Eltern voller Verbote und Bigotterien wehte und Hesse ein
    Gefühl von überlegener Freiheit gab – »meine Phantasie hatte
    Raum«, schreibt er. Die Absage an die Religiosität der Eltern, de-
    ren »königliche Armut« und »offene Hand für das Elend, ihre Brü-
    derlichkeit gegen Mitchristen« er bewunderte, ist rigoros. Denn so
    »groß und edel dies Christentum meiner Eltern als gelebtes Le-
    ben, als

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