Heuchler
an. Nach dem ersten Schock ergriff ihn eine Angst, die er so nicht kannte. Angst, dass dieses Monster seiner Familie etwas antun könnte.
Dann wendete er seine Zudecke, ließ sich zurücksinken und schlief, nachdem er eine Stunde lang in die Stille des Hauses hineingehört hatte, um 4 Uhr wieder ein.
Bei ihrem gemeinsamen Frühstück versuchte Mike seinen Kindern möglichst schonend beizubringen, dass sie in Gefahr sein könnten und auf alles Ungewöhnliche achten sollten. Außerdem ließ er sich versprechen, dass beide nur zusammen mit Freunden auf die Straße gingen und selbst kurze Strecken nur in Begleitung zurücklegten. Gerade von Katja hatte er eigentlich Proteste gegen diese Bevormundung erwartet, aber sie schien ihn ernst zu nehmen und rief daraufhin eine Freundin in der Nachbarschaft an, um mit ihr gemeinsam in die Schule zu gehen. Petra hatte Zeit und konnte Felix fahren, so dass Mike halbwegs beruhigt ins Präsidium konnte.
Pünktlich um 8 Uhr schloss er sein Büro auf und fand eine Notiz, die an seinen Monitor geklebt war: »Um 08:30 Uhr im großen Konferenzzimmer! Gruß Karl.«
Nach einem Telefonat mit Peter, dessen Nacht um einiges schlimmer gewesen war als seine eigene, rauchte Mike noch eine Zigarette im Innenhof und begab sich dann zu dem Konferenzzimmer.
Als ehemaliger Leiter der Einsatzgruppe hatte man ihm einen Stuhl frei gehalten und auf ihn gewartet. Noch vor zwei Tagen hatte der Raum für ihre täglichen Besprechungen ausgereicht, jetzt mussten drei Beamte an der Wand stehen.
Entgegen Karls Aussage waren gleich vier Mann von Interpol angereist, was angesichts der Schwere des Falles aber auch nicht verwunderlich war.
Die Konferenz und die damit verbundene Abgabe des Falles dauerte dank der sehr gut vorbereiteten neuen Kollegen nur eine knappe Stunde, was Mike entgegenkam. Er hatte sich halbwegs mit den Umständen abgefunden und wollte nur noch seinen wohlverdienten Urlaub antreten.
Nach weiteren zwei Stunden, in denen er seinen Abschlussbericht tippte, gab er Karl die Adresse seines Urlaubsortes und verabschiedete sich schließlich von ihm.
– 5 –
Die letzten Tage bis zur Abreise vergingen wie im Fluge und ohne besondere Vorkommnisse. Es gab allerhand zu erledigen, einzukaufen und zu packen, was Mike einigermaßen abschalten ließ. Auch die Kinder hielten sich an seine Anweisungen und berichteten alles, was ihnen aufgefallen war. Nichts davon deutete jedoch auf eine Gefährdung hin und so wurden Petra und er langsam ruhiger.
Seine einzige Verbindung zu dem Fall und seiner Arbeit war noch Peter, den er am Freitag, einen Tag vor ihrer Abreise, ein letztes Mal besuchte. Die Medikamente und einige Gespräche mit seinem Psychologen hatten Wirkung gezeigt und die Alpträume und Selbstvorwürfe etwas mindern können. Wenn es keinen Rückfall geben sollte, würde Peter am kommenden Montag die Klinik verlassen können.
Am Samstagmorgen, um 4 Uhr, war es dann endlich soweit und bei Familie Köstner klingelten drei Wecker fast gleichzeitig. Katja brauchte, wie befürchtet, am längsten und trotzdem schaffte es Mike, seine gesamte Familie um halb fünf in das vollgepackte Auto zu befördern und zu starten. Er hasste es gegen die Uhr fahren zu müssen, aber die Fähre war für den frühen Nachmittag gebucht und auf der nächsten war, wie er im Internet erfahren hatte, kein einziger Platz mehr frei.
Bis Berlin ging alles reibungslos und sie kamen gut voran, doch auf der Umgehungsautobahn, die rund um die Metropole führte, verdichtete sich der Verkehr zusehends und kam schließlich ganz zum Stillstand. Noch hatten sie ein gutes Zeitpolster, und aus den Verkehrsmeldungen erfuhren sie, dass es bald weitergehen würde, trotzdem machte sich eine gewisse Nervosität breit. Mike nutzte die kurze Pause, um schnell an den Kofferraum zu gehen und ein paar Getränke zu holen. Der Tag war für diese Jahreszeit ziemlich heiß und ihre Vorräte schwanden schon in den ersten paar Stunden rapide. Gerade als Mike den Kofferraumdeckel wieder schloss, begannen die Fahrzeuge vor ihm anzufahren und sein Hintermann hupte kurz. Mike drehte sich um und wollte schon eine beruhigende Geste machen, als sein Blick auf ein Auto weiter hinten in der Reihe fiel. Für einen kurzen Augenblick dachte er, den Fahrer zu kennen, doch er hatte keine Zeit, um ihn genauer zu mustern, denn jetzt hupten auch noch andere in der Schlange und zwangen ihn endlich wieder einzusteigen.
»Was ist?«, fragte Petra, als sie wieder
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