Heuchler
erfrischend pubertierenden Art verkündete: »Ich habe keinen Bock auf Urlaub!«
Mike hatte inzwischen gelernt mit seiner Sechzehnjährigen umzugehen und erwiderte nur: »Dir auch ein herzliches Hallo!«
Katja schaute ihn irritiert an: »Hallo, Paps!«
Petra konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen und verkündete, dass das Essen fertig sei.
Nach dem Essen bat Mike seine Familie noch sitzen zu bleiben und holte seinen Laptop aus dem Schrank. Dann öffnete er die E-Mail, die er Petra geschickt hatte, und zeigte den Kindern, wo sie über Pfingsten hinfahren würden. Schon das erste Foto schaffte es, Felix zu überzeugen. Das Bild zeigte das Ferienhaus, welches ein bisschen wie eine kanadische Holzfällerhütte aussah und direkt über einem riesigen See stand. Die Fotos der Inneneinrichtung passten zwar nicht zum äußeren Erscheinungsbild, ließen aber Katjas Widerstand etwas bröckeln. Offensichtlich hatte man nachträglich einen Anbau geschaffen, in dem sich ein kleiner Innenpool befand und durch dessen Scheiben man einen gigantischen Ausblick über den See hatte. Das ganze Anwesen thronte auf dem Felsvorsprung einer nicht sehr hohen Steilküste und direkt hinter dem Haus standen die ersten Tannen eines verwunschen aussehenden Waldes. Jede der Außenaufnahmen hätte genauso gut eine Postkarte sein können und Mike konnte noch immer nicht glauben, dass er es zu diesem Preis bekommen hatte.
»Aber dort ist es bestimmt stinklangweilig!«, warf Katja ein und fragte dann: »Ist denn wenigstens ein Ort in der Nähe?«
Mike wechselte zu der Beschreibung des Hauses und las vor: »In etwa einem Kilometer Entfernung befindet sich der kleine Touristenort Tonstad mit einigen Bars und einem Fischerhafen.« Dann gab er den Laptop frei und Petra und die Kinder studierten noch einmal die komplette Beschreibung.
»Und? Was sagt ihr?«, fragte er, nachdem er eine Zigarette auf der Terrasse geraucht hatte und wieder in das Wohnzimmer trat. Zwei begeisterte und ein skeptisches Gesicht sahen zu ihm hoch.
»Ich will!«, begann sein Sohn.
Petras Strahlen brauchte keine Worte, und Katjas »Und ich muss!« klang nicht wirklich ernst.
»Prima!«, verkündetet Mike und bat Petra auf den VERBINDLICH BUCHEN- Knopf zu klicken.
Zwei Stunden später, als das Gewitter wieder vorüber war, saßen Mike und Petra, wie schon am frühen Morgen, auf der Terrasse und unterhielten sich bei einem Glas Wein über die kommenden Tage. Mike hatte beschlossen, offen zu sein und erzählte ihr auch von den Bedenken seiner Kollegen bezüglich des Kinderschänders.
»Du nimmst das ernst, oder?«, fragte Petra.
»Ich kann es zumindest nicht ausschließen!«, entgegnete Mike vorsichtig.
»Sollen wir es den Kindern sagen?«
Mike nickte: »Das müssen wir! Ich werde bis zum Urlaub ein Auge auf die beiden haben, auch wenn das Katja nicht gefallen wird, aber sie müssen auch selbst vorsichtig sein. Vielleicht hat sich alles erledigt, wenn wir wieder zurück sind.«
»Und wenn nicht?«, fragte Petra, bekam aber nur ein Schulterzucken als Antwort. Dann sagte Mike: »Lass uns jetzt nicht darüber nachdenken, sondern auf Finnland freuen. Wir können sowieso nichts ändern!«
Doch so cool, wie Mike tat, war er nicht. Anders als sonst, sperrte er seine Dienstpistole nicht wie üblich in den Tresor, sondern legte sie in sein Nachtkästchen. Natürlich ohne dass Petra davon etwas mitbekam.
Sobald er im Bett lag, spürte er die Anstrengung des Tages, denn bis auf die paar Stunden Schlaf am Vormittag war er fast vierzig Stunden auf den Beinen gewesen. Alles, was er noch mitbekam, war das »Gute Nacht« von Petra, dann fiel er in eine traumlose Dunkelheit.
Sein Kopf vermochte es nicht, die ganze Nacht abzuschalten. Fast genau zu der Zeit, in der Peter und er vor vierundzwanzig Stunden den letzten Kellerraum betreten hatten, begannen die Bilder in seinen Träumen Gestalt anzunehmen. Das kurze Aufblitzen der Lampe, Peter, der seine Waffe neben ihm in die Höhe riss und die ohrenbetäubenden Schläge der abgefeuerten Schüsse. Dann die Scherben auf dem Boden und die substanzlose Masse, welche wie in Zeitlupe hinter dem Jungen die Wand herunterlief. Mike schreckte hoch und konnte das ausgestoßene »Nein!« gerade noch etwas mäßigen. Er fror und brauchte einen Augenblick, um zu realisieren, dass die Kälte von seinem komplett durchnässten Bettzeug ausging. Zum Glück war Petra nicht aufgewacht! Ihr ebenmäßiges Gesicht lag friedlich zu ihm geneigt und ihr Mund deutete ein Lächeln
Weitere Kostenlose Bücher