»Stell dir vor, ich vergesse, dass ich eine Frau bin und küsse dich«, hat Leon am Abend vor der Abfahrt gesagt.
»Nast, davon überzeugt, dass sie den Wettbewerb gewinnen wird.
Pia hat genau beobachtet, wie sicher Gina auf ihren High Heels über den Laufsteg schwebt und dabei megatoll aussieht. Während die anderen ihr nach Möglichkeit aus dem Weg gehen, beschließt Pia, sich mit Gina anzufreunden. Sie hofft, von ihr weitere Tipps für ihr eigenes Posen zu bekommen, das trotz der Nachhilfe von Cleos Mutter noch sehr zu wünschen übrig lässt.
Pia will es wenigstens bis ins Finale schaffen, denn die Finalistinnen werden bei einer Haute Couture Show laufen, und genau da will sie hin. Während die anderen Mädchen von einer großen Karriere auf den Laufstegen von Paris, Mailand und New York träumen, beschränkt sich Pias Ehrgeiz vorläufig darauf, einmal in einem Traumkleid zu laufen, am liebsten in Berlin, da, wo sie ihre Mutter zuletzt gesehen hat.
Am liebsten hätte sie natürlich im Bus neben Leon gesessen, aber sie haben vereinbart, erst mal Abstand zu halten, damit niemand Verdacht schöpft.
»Stell dir vor, ich vergesse, dass ich eine Frau bin und küsse dich«, hat Leon am Abend vor der Abfahrt gesagt.
Pia und? Das ist doch kein Problem. Wir beide als lesbisches Pärchen!« Pia musste bei der Vorstellung lachen, aber Leon wollte auf Nummer sicher gehen.
»Wenn wir eins wären, wär’s ja ok. Aber es macht die Sache komplizierter. Man würde uns ständig beobachten, und irgendwann fliege ich auf.«
Und dann gibt es einen Skandal und Leons Mutter wird ihr die Schuld daran geben. Wenn sie daran denkt, wie sie reagiert hat, als Leon ihr von seinem erfolgreichen Casting erzählt hat, wird ihr ganz übel.
»Bist du verrückt geworden? Wenn das rauskommt! Du musst sofort aussteigen!«, hatte sie Leon außer sich vor Wut angeschrien. »Meine Chefin sitzt in der Jury, und unser Magazin vermarktet das Ganze.« Leons Mutter war fassungslos. »Wenn die erfahren, dass du mein Sohn bist … Nicht auszudenken. Morgen früh rufst du da an und sagst, du kannst nicht antreten, weil dein Chef dir nicht frei gibt.«
»Vergiss es, Mutter. Ich hab dir gesagt, dass ich nicht will, dass Pia mitmacht. Aber das hat dich ja nicht interessiert. Jetzt ist es zu spät!«