»Eure Aufgabe bekommt ihr erst kurz vorher mitgeteilt. Aber bis daempfängt Vanessa sie spöttisch, als sie sich neben sie auf die Bank setzt. »Ich wundere mich nur, dass du so entspannt bist.«
Pia findet das Ganze tatsächlich eher zum Lachen, was aber auch Herr Kyle überhauptnicht passend findet.
»Ich will keine neuen Skandalgeschichten mehr, Pia, haben wir uns da verstanden?«, blafft er sie wütend an.
Pia nickt und senkt den Kopf, damit er ihr Lachen nicht sieht.
»Und das gilt auch für die anderen.«
»Keine Sorge!«, sagt Vanessa. »Ich bin weder lesbisch noch schwanger.«
»Gut, wenn das klar ist, dann können wir ja weitermachen. Am nächsten Samstag ist das Finale als Teil einer großen Show. Es wird live gesendet. Vorher wird ein kurzer Abriss des Wettbewerbs gezeigt und auch Ausschnitte aus euren Videofilmen in Paris.«
»Und was machen wir da?«
»Eure Aufgabe bekommt ihr erst kurz vorher mitgeteilt. Aber bis dahin gibt es drei Stunden Catwalktraining täglich, jeden Morgen von 9.00 bis 12.00 Uhr. Ich will nicht, dass ihr euch und mich mit blamiert.«
»Und der Set, wo ist der?«, will Gina wissen.
»Im Schloss Charlottenburg.«
»Oh wow! Wir als Prinzessinnen?«
»So ungefähr! Am Freitag ist das Fitting, und Samstagmorgen ab 8.00 Uhr wird die Choreografie der Show geprobt. Und jetzt hopp, hopp. Waltèr wartet schon.«
Nach drei Stunden Catwalktraining mit Waltèr tun Pia die Füße weh. Sie ist froh, als sie die High Heels wieder einpacken und nach Hause fahren kann.
Aber Gina ist noch nicht müde. »Wir fahren ins Schloss!«
»Ins Schloss? Jetzt?«
»Warst du schon mal da?«
Als Pia den Kopf schüttelt, sagt sie: »Na, also!«
Mit der Metro fahren sie nach Charlottenburg, lösen eine Eintrittskarte und stehen kurze Zeit später im ersten Stock des Schlosses, im Weißen Saal. Staunend sehen sie sich um. Der weiße Stuckmarmor an den Wänden, der dem Raum den Namen gegeben hat, ist überall mit goldenen Ranken und Blättern verziert, an denen goldene Engel ohne Flügel herumklettern.
»1742 hat Friedrich der Große den Saal als Audienz- und Speisesaal eingeweiht«, liest Pia aus dem Museumsführer vor.
text-spacte hier nicht essen«, sagt Gina. »Viel zu vornehm. Das ist ein Raum zum Tanzen.« Sie packt Pia an den Armen und wirbelt sie herum. Eine Museumsangestellte beobachtet sie misstrauisch.
»Wo werden wir laufen?«, überlegt Pia.
»Keine Ahnung. Wahrscheinlich werden sie einen Teppich als Laufsteg durch alle Räume ausrollen.«
»Und dann laufen wir in einem Prinzessinnenkleid darüber. Es kann nur Haute Couture sein, oder?«
»Du immer mit deiner Haute Couture«, stöhnt Gina. »Das ist die oberste Spitze der Karriere. Da sind wir noch lange nicht. Und wahrscheinlich kommen wir da auch niemals hin. Fotostrecken, Werbung – da steckt das große Geld. Auf dem Laufsteg kannst du nicht reich werden, außer du bist ein Supermodel. Aber davon braucht die Welt nur wenige und wahrscheinlich nicht ausgerechnet uns. He, was machst du denn da?«
Pia steht an einem Ende des Raumes und läuft einmal bis zum anderen Ende, post, dreht sich und geht zurück. »Ich versuche, ein Gefühl für den Raum zu kriegen. Darum sind wir doch hier, oder?«
Sie laufen ein paarmal hin und her, bis sie von einer Gruppe Touristen vertrieben werden.
Am Nachmittag ruft Kathrin an, aber Pia drückt sie weg. Dann kommt eine SMS .
»Was ist los, Pia? Kommst du nun zurück in die Mannschaft oder nicht?«
Pia antwortet nicht, weil sie nicht weiß, was sie antworten soll. Wenn sie nicht gewinnt, dann ist die Sache klar: Sie wird nicht weitermachen und zurück in ihr altes Leben gehen. Und dazu gehört nun einmal der Fußball. Aber was wird passieren, wenn sie gewinnt?