Heute schon geträumt
ohne Zusatzstoffe«, so der wohlklingende Name der Köstlichkeiten, für die wir die PR übernommen haben.
»Sie ist ein bisschen irritiert wegen der Sonntagszeitungen.« Beatrice zückt die Ausgabe eines der Klatschblätter. Auf der Titelseite prangt ein Foto von Melody, wie sie sich mit einem großen Big Mac und Pommes vollstopft. FRITTIERTE GEHEIMNISSE lautet die marktschreierische Schlagzeile.
»Ah, ja«, sage ich und schneide eine Grimasse. »Ich habe es gesehen.«
»Ich glaube, ihre exakten Worte waren« - Beatrice zupft eine Haftnotiz ab und zitiert mit bierernster Miene -, »ich bin stocksauer. Ich werde diesen beschissenen Arschlöchern von Daily Arschlochnews ihren beschissenen Arsch aufreißen.«
Trotz meiner Besorgnis kann ich mir ein Grinsen nicht verkneifen. Mit Beas Nobelakzent hört es sich an, als stoße die Queen persönlich wüste Blasphemien aus. Ganz ehrlich, Adlige und Reiche sollten nicht fluchen. Es hört sich einfach nicht richtig an.
»Das kann ich mir vorstellen.« Ich schlage die Zeitung auf und spüre, wie sich der Knoten in meiner Magengegend verhärtet.
Melody mag der Liebling der Nation sein - reizend und schlank und mit Zahnpastalächeln -, aber wenn die Kameras einmal nicht auf sie gerichtet sind, ist sie launischer als - okay, ich möchte hier keine Namen nennen, schließlich habe ich keine Lust auf eine saftige Klage am Hals, aber Sie verstehen, was ich meine.
»Glaubst du, das ist Supersize?«, fragt Bea und späht über meine Schulter auf das Foto. Beatrice hat kürzlich diese Dokumentation über den Typen gesehen, der sich einen Monat lang nur von McDonald’s-Produkten ernährt hat, und hat seitdem kein anderes Thema mehr. Aber so ist Bea. Sie sieht sich Filme fünf Jahre, nachdem sie angelaufen sind, an, und genauso hält sie es mit Musik, Klamotten, überhaupt allem …
Ich mustere Bea. Sie trägt ein artiges Twinset, einen knielangen grauen Tweedrock, blickdichte Strümpfe und die uralten flachen schwarzen Schuhe von Marks & Spencer. Und nicht zu vergessen die Perlen.
Eigentlich bin ich nicht sicher, ob sie in den letzten fünf Jahren überhaupt etwas getragen hat, was gerade angesagt war.
»Ist das wichtig?« Ich massiere mir die Schläfen, die tatsächlich zu pochen beginnen. »Supersize hin oder her, nächsten Monat erscheint ihr neuestes Buch Einfach Nein zu Junkfood sagen. Und wir haben gerade mit der Promotion ihres Buches über die Suppen ohne Zusatzstoffe angefangen.«
Beatrice runzelt die Stirn. »Hmm, ja, das ist ein bisschen ungünstig.«
Beatrice neigt zu Untertreibungen. Als kleine Agentur vertreten wir nur eine begrenzte Zahl an Kunden - ich kümmere mich um die wichtigen, Bea übernimmt die kleineren -, und Melody mit ihren Produkten ist einer unserer wichtigsten und lukrativsten. Das Letzte, was ich gebrauchen kann, ist ein Paparazzo-Foto, das ihren Ruf als Gesundheitsund Fitnessikone gefährdet.
»Das ist eine potenzielle Katastrophe«, sage ich, schüttle zwei Paracetamol aus der Familienpackung in meiner Schreibtischschublade und fahre meinen Computer hoch. Der Bildschirm erwacht zum Leben, worauf ich eilig Google aufrufe und zu tippen beginne.
Beatrice umklammert ihre Perlen noch ein wenig fester. »Meine Güte«, sagt sie leise. »Eine Katastrophe?«
Mehrere Artikel erscheinen auf dem Bildschirm, von denen ich einen anklicke. »Potenziell«, korrigiere ich und überfliege den Artikel, ehe ich Bea ansehe. »Ruf ihren Agenten an, und sag ihm, wir müssen eine Pressemeldung rausgeben, dass sie unter Hypoglykämie leidet.«
Beatrice sieht mich verwirrt an.
»Mit anderen Worten, an einem zu niedrigen Blutzuckerspiegel.«
Die Röte schießt ihr ins Gesicht, als der Groschen fällt. »Oh, was für ein Zufall!«, ruft sie, völlig euphorisiert von dieser Nachricht. »Wie Mami auch! Ohne ihre Reiscracker kann sie nicht aus dem Haus. Einmal hat sie sie vergessen, und ihr Blutzuckerspiegel fuhr so in den Keller, dass sie ohnmächtig wurde. Direkt vor Prince Philip.« Beim Anblick meiner Miene hält sie inne. »Das war im Royal Enclosure in Ascot«, erklärt sie.
»Beatrice, sie leidet nicht wirklich an Hypoglykämie.«
Sie mustert mich ausdruckslos. Dann dämmert es ihr. »Oh … ich verstehe … Gott … es ist also eine Finte«, sagt sie mit gesenkter Stimme.
Ich nicke.
»Gott, Charlotte, du bist so klug. Deshalb arbeite ich so gern für dich!«
Die Leute täuschen sich sehr oft in Bea. Sie halten sie für eine dusselige Geldschnepfe, so
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