Heute schon geträumt
gratulieren.«
»Oh, ja, bleib dran, er holt gerade die Post rein.«
Ich zucke zusammen.
»David, Schatz, unsere Lottie ist dran«, ruft sie und senkt dann verschwörerisch die Stimme. »Du hast ihm doch eine Karte geschickt, oder?«, zischt sie.
»Äh … ehrlich gesagt, habe ich Blumen geschickt«, erkläre ich fröhlich.
»Blumen?«, wiederholt sie verdattert. »Deinem Vater?«
»Wieso denn nicht? Dad liebt doch Blumen«, erkläre ich trotzig. »Er gärtnert doch ständig.«
»Na ja, wohl schon …« Ihre Stimme verklingt, und mir ist klar, dass sie sich wünscht, ich hätte ihm eine Glückwunschkarte und ein Paar Socken von Marks & Spencer geschickt, wie jede andere Tochter auch. Riesige Bouquets an Mr. Merryweather werden im Dorf für einiges Aufsehen sorgen, und ich höre Mum schon erklären: »Die sind von seiner Tochter. Sie wohnt doch in London …« Was in der Dorfidylle von Yorkshire Dales Erklärung genug ist.
»Es geht dir doch gut, was, Püppchen?«, dröhnt Dads Stimme durch die Leitung, und augenblicklich durchströmt mich ein Gefühl der Wärme.
Unser Verhältnis zueinander war stets etwas schwierig, weil wir beide so dickköpfig sind. Meine Teenagerjahre waren von unablässigen Debatten darüber geprägt, wie laut man die Musik von The Smiths hören konnte. (Ich: sehr laut. Dad: »Dreh endlich diesen Mist ab - das ist Musik, zu der man sich die Pulsadern aufschneidet.«) Aber trotz unserer Verschiedenheit (oder sollte ich eher Ähnlichkeit sagen?) stehen wir uns sehr nahe. Selbst unsere Geburtstage liegen nur vier Tage auseinander.
»Hi, Dad, alles Gute zum Geburtstag«, sage ich lächelnd und klemme mir das Telefon zwischen Schulter und Kinn. Das Taxi fährt gerade vor dem Wolseley vor, und ich will nur kurz mein Make-up überprüfen, bevor ich reingehe.
»Danke, Schatz, meine Karten habe ich noch nicht aufgemacht«, erklärt er gut gelaunt.
Das schlechte Gewissen packt mich. Dad wird begeistert von den Blumen sein, das weiß ich, aber trotzdem.
»Und was steht heute so an?«, wechsle ich erneut das Thema, während ich meine Puderdose aufklappe und den Spiegel ins Licht halte. Die dunklen Schatten unter meinen Augen springen mir förmlich entgegen.
»Ach, so dieses und jenes. Und was ist mit dir? Wann kommst du uns endlich wieder mal besuchen?«
»Bald«, verspreche ich und tupfe hektisch Touche-Eclat-Concealer auf die Schatten. Ich will nicht allzu geschminkt aussehen, deshalb habe ich heute Morgen ein Serum aufgetragen, danach eine Foundation mit lichtreflektierenden Pigmenten, Concealer, Puder, Bronzer, einen Hauch Rouge auf die apfelförmige Rundung meiner Wangen, Wimperntusche, etwas Lippenbalsam … es ist schon eine ziemliche Ironie, wie viel Make-up notwendig ist, um den Eindruck zu erzeugen, man trage keines.
»Das sagst du jedes Mal«, murrt Dad. »Wir haben uns seit Weihnachten nicht mehr gesehen.« Ich halte mitten in der Bewegung inne. Gott, ist es wirklich so lange her? Ich denke an meine wilde Fahrt über die M1 am Heiligabend zurück. Ich hatte es nicht geschafft, früher aus dem Büro zu kommen. Melody sollte gleich zu Jahresbeginn eine neue Serie Diätshakes herausbringen, und Beatrice lag mit Grippe im Bett. Also hatte ich praktisch rund um die Uhr gearbeitet und alles im Alleingang erledigt. Den Großteil des 1.Weihnachtstags hatte ich vor meinem Laptop gesessen und eine Pressemeldung geschrieben, und am 2. Weihnachtstag war ich schon wieder im Büro gewesen.
»Ich weiß.Tut mir leid, Dad.Aber im Moment ist alles ein bisschen hektisch.Wegen einer wichtigen Deadline musste ich das ganze Wochenende arbeiten, und in dieser Woche stehen Termine mit Neukunden an.« Ich gebe den Kampf gegen meine dunklen Ringe auf, klappe die Puderdose zu und setze mir stattdessen die Sonnenbrille auf. »Aber sobald ich wieder ein freies Wochenende habe, komme ich mit Miles zu euch, versprochen. Dann kannst du dir meinen neuen Wagen ansehen. Du wirst begeistert sein. Ich lasse dich auch eine Runde damit drehen.«
»Hmmm, ja, in dieser Zeitschrift, die du mir geschickt hast, stand ein Artikel über den neuen Beetle …« Ich spüre, wie Dad weich wird. Er liebt es, über Autos zu schwadronieren, die Motorhaube aufzumachen und das Innenleben zu bestaunen.
»Wo soll ich anhalten, Schätzchen?«, fragt der Taxifahrer in diesem Moment.
»Sekunde, Dad.« Ich sehe das Restaurantschild direkt vor uns. »Irgendwo hier ist in Ordnung.« Ich beuge mich vor, so dass der Fahrer mich hören
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