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Heute Und in Ewigkeit

Titel: Heute Und in Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Randy Susan Meyers
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kam, roch ich den Alkohol. Sein verschleierter Blick widersprach der lässigen Haltung. Ich hatte Anfang der Woche einen Termin mit Victor gehabt, und wir hatten darüber gesprochen, wie schlecht er sich in letzter Zeit benahm. Er hatte in sämtlichen Kursen gefehlt, die ich in den Bewährungsauflagen festgelegt hatte: Anonyme Alkoholiker, Tätertherapie häusliche Gewalt, eine Selbsthilfegruppe für Drogen abhängige, ein Elterntraining. Er hatte zwei positive Urinproben abgeliefert. Zu allem Übel hatte mich auch noch seine verängstigte Freundin angerufen und mir erzählt, dass er wieder angefangen hatte, sie zu schlagen. Bringen Sie ihn runter, hatte sie gefleht. Für das Baby.
    »Warum zeigen Sie mir so wenig Respekt?« Victor sprach die Bostoner Variante des Dialekts weißer Jungs, die knallharte Schwarze imitieren. Eine traditionelle irische Mütze saß auf seinem rostbraunen Haar. Die Wachen am Eingang hätten ihm normalerweise befohlen, die Kopfbedeckung abzusetzen. Vermutlich hatte er sie sich in die Tasche gesteckt und wieder aufgesetzt, sobald er außer Sichtweite war. Letzte Woche hatte ich ihn schon zwei Mal bitten müssen, die Mütze abzunehmen.
    »Ich muss vor Gericht …« Er schlug mit der rechten Hand in die Linke. »Wegen Ihnen.«
    »Beruhigen Sie sich, Victor. Wir können uns in ein paar Minuten unterhalten.« Ich deutete auf den Flur, weg von meinem Büro. »Warten Sie bitte in der Lobby, ja? Drei Minuten.«
    »Scheiß drauf.«
    Ich betete darum, dass jemand ihn fluchen hörte und den Sicherheitsdienst alarmierte.
    »Victor, ich habe Kinder hier drin. Drei Minuten.«
    »Sind das Ihre?« Ehe ich antworten konnte, lachte Victor. »Ziemlich dumm von Ihnen, Ihre Kinder hierher mitzubringen. Und Sie sagen, ich bin dumm.«
    »Ich habe nie behauptet, dass Sie dumm seien, Victor.«
    »Doch, das haben Sie.« Victor sah aus, als würde er gleich in Tränen ausbrechen.«
    Seine Stimmung pendelte von einem Extrem zum anderen. Betrunken, high oder beides? Ich überlegte mir jedes Wort genau. »Ich habe gesagt, es sei dumm, Ihr Programm nicht zu befolgen. Aber nicht, dass Sie dumm seien. Sie sind alles andere als dumm. Sie sind ein kluger junger Mann. Deswegen werden Sie auch in der Lobby auf mich warten.«
    »Warum wollen Sie mich zurück in den Knast schicken? Ich kann da nicht wieder hin.«
    Victor war zwar kräftig gebaut, aber nicht groß. Ich sah ihm fest in die Augen. »Natürlich nicht. Wir reden darüber. Gleich. Wie ich es Ihnen gesagt habe.«
    »Sie sollen aber jetzt mit mir reden.« Victor unterstrich jedes Wort mit einem Schlag gegen die Wand. »Nicht den Babysitter spielen.«
    »Verstehe.« Ich bewegte mich leicht nach links, um den Eingang zu meinem Büro so gut wie möglich zu blockieren. Ich wollte ihn dort nicht haben.
    Er straffte die Schultern und blähte die Brust auf. »Wissen Sie eigentlich, dass ich in einer Stunde einen Gerichtstermin habe?«
    »Das weiß ich.« Ich drehte mich kurz um und sah Cassandra und Ruby wie versteinert dastehen. Ich hätte sie in der Kinderbetreuung lassen sollen. »Ich werde mit Ihnen hingehen.«
    »Können Sie den nicht wegkriegen?«, flehte er. »Das Gericht dazu bringen, dass sie ihn absagen?«
    Ich nickte und ließ meine Stimme mitfühlend klingen. »Okay, ich sage dem Richter, dass Sie sich besser geführt haben.«
    »Versprechen Sie's mir?«
    »Natürlich verspreche ich das.«
    »Und ich gehe nicht wieder in den Knast. Ganz bestimmt?« Victors Stimme zitterte. Seine runden Wangen ließen ihn jünger als zweiundzwanzig erscheinen.
    »Ganz bestimmt.«
    »Meine Freundin hat immer Angst wegen dem Baby. Wer soll denn für sie sorgen? Und für das Kind. Außerdem bringt meine Mutter mich um, wenn ich noch mal reinkomme.«
    »Verstehe.« Ich konnte nicht anders, als ein gewisses Maß an Mitleid mit diesem völlig verkorksten Jungen zu haben, der fürchtete, seine Mutter könnte böse auf ihn sein. Ich stellte sie mir vor, zäh, mit schütterem Haar und schwindender Taille, jegliche Schönheit zerstört von Schwangerschaften, Alkohol und Kummer.
    »Sie müssen es mir versprechen«, bettelte Victor laut. Gut so, schön laut werden, dachte ich.
    Die Bürotür neben meiner ging auf, und Paul Lunden trat heraus. Er war kahl, wog hundertfünfzig Kilo und trug gern rosafarbene Hemden von Brooks Brother's. Niemand übersah Paul oder ignorierte ihn. »Alles klar, mein Junge?«, fragte er Victor und kam langsam auf uns zu.
    »Ich bin nicht dein Sohn, du Schwuchtel«,

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