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Heute Und in Ewigkeit

Titel: Heute Und in Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Randy Susan Meyers
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März ist die schlimmste.
    Ich hoffte, dass Oma nicht herunterschauen und sehen konnte, dass kaum jemand dabei sein wollte, wenn sie beerdigt wurde. Fünf Leute, wenn man den Rabbi mitzählte, aber dem blieb ja nichts anderes übrig. Das war sein Job.
    Die Limousine bremste an einem grünlichen Eisentor, in das Davidsterne und Schriftrollen eingearbeitet waren. Wir bogen durch das Tor ab und holperten langsam eine schmale Straße entlang, die von Grabsteinen gesäumt war, manche eng zusammengedrängt, manche ganz allein.
    »Das sollte man gar nicht meinen«, bemerkte Onkel Irving, »aber als wir dieses Familiengrab gekauft haben, standen wir uns alle so nahe.«
    Wir bogen links auf die Jerusalem Road ab und fuhren weiter, bis der Weg zu Ende war. Der Leichenwagen parkte, und dahinter wir. Jetzt mussten wir Oma beerdigen.
    »Zieh deine Handschuhe an«, befahl ich Merry. Ich schlüpfte in meine eigenen groben Wollhandschuhe und zitterte, als Onkel Irving die schwere Limousinentür öffnete und die kalte Friedhofsluft hereinkriechen ließ.
    Merry holte ihre rot und rosa gestreiften Handschuhe aus Stretchstoff hervor. Sie waren ihr zu klein, ein Paar Handschuhe von ganz unten aus dem Kleidersack, aber das war alles, was sie hatte. Wir trugen flache Ballerinas, die Mrs. Cohen irgendwo aufgetrieben hatte. Sie hatte uns geholfen, uns anzuziehen, und war extra ins Heim gekommen, nur weil wir zu der Beerdigung mussten.
    »Schau«, flüsterte Merry. »Da ist noch jemand.«
    »Du brauchst nicht zu flüstern. Wir dürfen ganz normal reden.« Ich sprach so laut, dass Budgie mich hören musste, zerfressen vom Hass auf meine Alte-Damen-Cousine, die sich zu fein für uns war. Merry deutete auf ein großes Auto, nicht so groß wie unsere Limousine, aber lang und dunkelblau. Ein Mann lehnte an der Motorhaube, die Arme vor der Brust verschränkt, und ein zweiter Mann neben ihm stand so gerade wie ein Lineal.
    »Ich glaube, das ist der Rabbi.«
    »Ist das denn nicht der Rabbi?« Merry deutete auf einen plumpen Mann, der eine Yarmulke und einen Schal über dem Anzug trug. Er wartete vor einem gähnenden Loch und sah nickend zu, wie zwei Männer Omas Sarg dorthin trugen. Sie ließen ihn mit einer Art Seil in das Loch hinab.
    Onkel Irving und Budgie gingen auf das offene Grab zu und ließen uns am Auto stehen. Vermutlich erwarteten sie, dass wir ihnen folgten.
    »Sollen wir mit ihnen gehen?« Merrys Stimme klang leise und ängstlich.
    »Ich glaube schon.« Ich tastete nach dem Päckchen Taschentücher, das Mrs. Cohen uns gegeben hatte.
    Langsam und vorsichtig führte ich Merry über das winterlich braune Gras. Überall könnte eine Leiche liegen. Auf diesem Familiengrab gab es nur wenige Steine. Leere Plätze warteten auf uns. Onkel Irving hatte gesagt, dass Merry und ich und unsere Kinder und Ehemänner, dass wir alle unsere zukünftigen Gräber hier hatten. Genau das, was ich wollte – für alle Ewigkeit neben unserer dämlichen Cousine Budgie liegen. Wir schlichen uns vorsichtig an das offene Grab heran.
    »Merry? Lulu?«
    Ich zuckte zusammen, als ich die Stimme hörte.
    »Daddy!« Merry ließ meine Hand los und lief los. Sie stürzte sich auf unseren Vater. Seine Handschellen hinderten ihn daran, sie zu umarmen, und Merry prallte gegen seine Brust. Er verrenkte sich ganz komisch und drückte die Wange auf ihren Wollhut, apfelrot – Mrs. Cohen hatte darauf bestanden, dass Merry ihn trug. Selbst ein Kind musste merken, dass er unpassend war für eine Beerdigung, aber ich würde Mrs. Cohen gewiss nicht widersprechen.
    »Daddy«, rief Merry. »Ich wusste nicht, dass du kommst.«
    »Sie haben mir keine Zeit mehr gelassen, dir zu schreiben.« Er beobachtete mich, während Merry sich an ihn drückte, er starrte mich an, bis ich mit der Schuhspitze in den eiskalten Boden trat. »Komm her, Lulu. Komm und sag Hallo. Es ist so lange her.«
    Ja. Ist wirklich lange her, dass du Mama umgebracht hast.
    Der Mann, der mit meinem Vater gekommen war, sein Wärter oder Hüter oder wie man das nannte, stand dicht hinter ihm.
    »Nun komm schon«, drängte mein Vater.
    Meine Zähne klapperten so heftig, dass sie fast aus dem Kiefer gerüttelt wurden. Ich presste die Lippen zusammen, damit er es nicht merkte.
    »Lulu, wir haben nicht viel Zeit«, sagte er mit ganz normaler Stimme, als wollten wir ins Kino und er fürchtete, wir könnten zu spät kommen.
    Merry sah mich an, und ihr Blick bettelte, flehte, ich möge zu ihnen kommen. Ich schlurfte die paar

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