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Heute Und in Ewigkeit

Titel: Heute Und in Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Randy Susan Meyers
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wartete, noch einen letzten Rest Farbe herauskratzen konnte.
    Zu arm für die Schönheit , hatte sie dann immer zu uns gesagt, wenn sie das letzte bisschen Lippenstift hervorgestochert hatte. Eure Oma ist zu arm, um sich hübsch zu machen.
    Du siehst immer hübsch aus! , hatte Merry dann meistens gesagt und Oma fest umarmt. Ich konnte über so etwas nur die Augen verdrehen, aber Oma hatte sich anscheinend darüber gefreut. Ich hätte netter sein sollen. Wie Merry.
    Ich bewegte kaum die Lippen, als ich über dem Sarg flüsterte: »Onkel Irving hat recht, Oma. Du siehst sehr hübsch aus.«
    Merrys Füße baumelten über den Rand des tiefen Sitzes in der Limousine, die dem Bestattungsunternehmer gehörte. In dem Wagen roch es nach nassem Teppich und dem Lufterfrischer in Form eines Tannenzapfens, der am Rückspiegel schaukelte. Merry kreuzte die Knöchel, um das Loch in ihrer fusseligen schwarzen Wollstrumpfhose zu verdecken. Ich hatte versucht, anständige Trauerkleidung für sie zu finden, für uns beide, Kleider, die Oma nicht als a Shandeh un a Charpeh bezeichnet hätte, aber ich schaffte es nicht, und was wir trugen, war eine Schande und eine Blamage.
    Trübe Wolken folgten uns den Highway entlang. Am liebsten hätte ich Merry das graue Kleid heruntergerissen, das perfekt zu dem deprimierenden, kalten Märztag passte und in dem sie aussah wie eine kleine Gefängniswärterin. Ölig wirkende Flecken zeigten an, wo die vorherige Besitzerin vermutlich beim Essen gekleckert hatte.
    »Wer wird sich jetzt um uns kümmern?«, flüsterte Merry.
    »Oma hat sich nicht um uns gekümmert.« Ich starrte aus dem Fenster und beobachtete, wie die Straße sich immer weiter aus Brooklyn hinauswand. »Wir haben sie doch nur alle zwei Wochen gesehen.«
    »Ich habe sie jede Woche gesehen«, widersprach Merry. »Weil ich immer mit ihr zusammen Daddy besuchen war. Du bist nicht ein einziges Mal mit ihr hingegangen.«
    »Sei still, Merry.« Onkel Irving und unsere Cousine Budgie saßen vorn, und ich wollte nicht, dass sie mich hörten, also drückte ich die Lippen an Merrys Ohr und ermahnte sie wieder einmal, Daddy nicht zu erwähnen.
    Merry spielte mit ihrem Rocksaum und ignorierte einfach, was ich gesagt hatte. »Wer bringt mich denn jetzt zu ihm?«
    »Hörst du endlich auf damit? Erweise Oma ein bisschen Respekt, das ist ihre Beerdigung.« Am liebsten hätte ich ihr eine heruntergehauen. »Soll Onkel Irving denn denken, sie wäre uns egal?«
    Merry schürzte die Lippen auf diese Art, die ich hasste. »Du hättest Oma Respekt erwiesen, wenn du Daddy besucht hättest.«
    Ich drückte meine eigene Hand, bis ich nicht mehr konnte, dann kniff ich sie in den Arm.
    »Au!«
    Onkel Irving drehte sich um. »Ist bei euch Mädchen alles in Ordnung?«
    Mama hätte gesagt, dass sein schwarzer Anzug älter und hässlicher aussah als Dreck. Als Onkel Irving ins Heim gekommen war, um uns zu sagen, dass Oma tot war, hatte ich nicht einmal mehr gewusst, dass er Omas Bruder war, bis er mich daran erinnert hatte. Ich hatte ihn so gut wie nie gesehen, auch seine Tochter Budgie nicht, die nicht im Cousinen-Alter war, eher im Tanten-Alter.
    Budgies Schultern spannten sich, aber sie sagte nichts. Als die beiden uns abgeholt hatten, hatte sie uns gar nicht richtig geküsst, sondern uns nur ihre dämliche Wange hingehalten, als sei die etwas ganz Tolles. Ich hatte ihre schleimige, mit Make-up beschmierte Haut nicht küssen wollen. Budgie roch wie das Innere von Omas Handtasche.
    »Ja, alles okay, Onkel Irving.« Ich schenkte ihm mein bestes verantwortungsvolles Lächeln.
    »Sei bloß vorsichtig.« Er wandte sich wieder dem Fenster zu und starrte auf die Bäume, die den Highway säumten. Wir fuhren zu einem Friedhof in Long Island, wo wir ein Familiengrab hatten, wie Onkel Irving sagte.
    »Macht uns ja keinen Ärger, Mädchen«, fügte Budgie hinzu, die sich nicht einmal die Mühe machte, uns anzuschauen. Sie warf einen Blick auf den Chauffeur, als mache sie sich Sorgen, was er denken könnte. Ich streckte ihrem Rücken die Zunge heraus, und es war mir egal, ob der Fahrer das mitbekam.
    Für die beiden waren Merry und ich die Töchter des Mörders. Genau wie für die alten Damen im Beerdigungsinstitut.
    Die Limousine fuhr auf den Friedhof. Hier waren sogar noch weniger Leute als vorhin. Omas Freundinnen, die alten Damen, hatten eine Million Ausreden vorgebracht, warum sie nicht mitkommen konnten. Es ist zu kalt. Meine Füße bringen mich um. Die Feuchtigkeit im

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