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Heute Und in Ewigkeit

Titel: Heute Und in Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Randy Susan Meyers
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wir an den Rand von Omas Grab, und Merry folgte uns. Mein Vater und ich beugten uns zusammen vor, hoben einen Klumpen Erde auf und schoben die Schaufel ein wenig ungeschickt mit unseren vier Händen über das Grab. Omas Sarg lag dunkel und einsam unten in dem Loch.
    Gemeinsam drehten wir die Schaufel um und sahen zu, wie die Erde mitten auf den Sarg fiel.
    Ich gab Merry die Schaufel. Meine Schwester schob sie zu fest in den Haufen und nahm viel zu viel Erde auf. Ich half ihr, sie hochzuheben, und zusammen bedeckten wir ein weiteres Stückchen von Omas Sarg.
    Es tut mir leid, Oma.
    »Zeit zu gehen, Joey«, sagte der Hüter meines Vaters. Der Mann hatte ein überraschend gütiges Gesicht, aber vielleicht lag das auch an der Brille mit den dicken Rändern. Ich verwechselte Brillen oft mit Güte.
    »Kann ich nicht noch ein bisschen bei den Mädchen bleiben, Mac?« Mein Vater wirkte, als würde er jeden Moment in Tränen ausbrechen, und ich hätte ihm dafür am liebsten mit der Faust auf die Brust geschlagen. Merry klammerte sich an seine Jacke.
    »Bitte«, bettelte sie. »Bleib noch da.«
    Mein Vater warf dem Wärter einen ebenso flehentlichen Blick zu wie Merry.
    »Tut mir leid, Joey«, sagte der. »Wir müssen gehen, Mann. Verabschiedet euch von eurem Vater, Mädchen.«
    Mein Vater versuchte, die Arme zu heben, um uns zu umarmen, aber die Handschellen hielten seine Hände gefangen.
    »Ich habe dich eine Million lieb, Daddy.« Merry schlang die Arme um seine Taille. Er legte die gefesselten Hände auf ihren Kopf.
    »Und ich hab dich eine Billion lieb, Süße.« Mein Vater fing meinen Blick auf. »Ich habe dich auch lieb, Lulu.«
    Ich zuckte mit den Schultern.
    »Hör mal«, sagte er. »Nur, damit du es weißt und dich nachher nicht schlecht fühlst – ich weiß, dass du mich auch lieb hast.«
    Ich starrte ihm direkt in die messerstechenden, mordenden Augen. »Das weißt du nicht.«
    »Tut er doch«, sagte Merry, den Kopf immer noch an Vaters Brust geschmiegt.
    »Lulu, ich bin dein Vater«, sagte er. »Du wirst nie einen anderen bekommen.«
    »Ich habe keinen Vater.«
    »Hast du doch«, rief Merry. »Daddy ist unser Vater.« Sie wollte ihn einfach nicht loslassen und hielt die Arme fest um ihn geschlungen.
    »Komm schon, Joey.« Der Wärter versuchte, Merry von unserem Vater wegzuziehen, doch meine Schwester drückte nur umso fester zu.
    »Geh nicht, Daddy«, sagte sie.
    Daddy schob Merry sacht von sich, und seine Jacke wäre beinahe gerissen, weil sie sich daran klammerte. Ich musste dem ein Ende machen. Ich legte jedem von ihnen eine Hand auf den Arm.
    »Lass los«, sagte ich. »Lass los, sonst bekommt er noch mehr Schwierigkeiten.«
    Merry ließ die Jacke los und taumelte rückwärts gegen mich.
    »Es tut mir leid, Baby«, sagte Daddy zu Merry. »Es tut mir so leid.«
    Ich packte Merry und zwang sie, sich mit mir umzudrehen und loszugehen.
    »Alles wird gut, Kleines«, rief Daddy. Der Wärter berührte ihn am Kopf, als er ihm ins Auto half.
    Mama war erst vor dreieinhalb Jahren gestorben, und ich konnte mich nicht einmal daran erinnern, wo sie begraben war.
    A Shandeh un a Charpeh.
    Onkel Irving und Budgie gingen zu unserer Limousine. Wir folgten ihnen, bereit für die Rückfahrt nach Brooklyn. Ich drehte mich um und reckte den Hals, um zu schauen, wo Oma war.
    Es tut mir leid, Oma.

10
Merry: Dezember 197 5
    ch dachte immer noch jeden Tag an Oma, obwohl sie vor neun Monaten gestorben war. Der Dezember war fast vorbei, und in ein paar Tagen fing das Jahr 1976 an.
    Lulu und ich verließen das Duffy, und ich hatte Angst.
    Ich hatte noch nie gepackt. Also legte ich meine Bluse genau so zusammen, wie Oma es mir gezeigt hatte, als ich ihr mit der Wäsche geholfen hatte: Man legte die Ärmel über die Brust und faltete ein ordentliches Blusen-Rechteck. Dann legte ich sie in Omas zerschrammten braunen Koffer. Warum Oma einen Koffer gehabt hatte, verstand ich nicht. Sie war bis zu ihrem Tod nie irgendwo hingefahren.
    Ich strich meinen hellblauen Poncho glatt. Der Poncho war mein kostbarstes Kleidungsstück, seit Mrs. Cohen ihn mir zu Chanukka geschenkt hatte.
    Niemand ärgerte mich mehr, seit die anderen das von Mrs. Cohen und uns gehört hatten. Es war, als wären wir auf einmal verzaubert. Selbst Reetha ließ mich in Ruhe. Manchmal lächelte sie mich sogar auf diese unheimliche, zuckersüße Art an, dass man alle ihre gelben Zähne sah, als dachte sie, ich würde sie vielleicht mitnehmen.
    Klar doch.
    Ich wünschte, ich

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