Heute Und in Ewigkeit
Rechteck, in dem die Tütchen ordentlich aufeinandergestapelt waren. Der Kellner kam zu uns und wischte mit einem schmutzigen Lappen die Theke neben Merrys Ellbogen. »He, wollt ihr etwas trinken, oder haltet ihr bloß euren Kaffeeklatsch ab?«, fragte er. »Das ist hier kein Wohnzimmer.«
»Zwei Kaffee.« Der Laden erinnerte mich an das Harry's damals in Brooklyn. Zwei Malzmilch, hätte ich am liebsten gesagt, einmal Vanille, einmal Schoko.
Merry legte den Kopf auf die Arme, sodass ihr Haar auf den Tresen fiel. Sie wandte mir das Gesicht zu und sah auf einmal aus wie eine schläfrige Fünfjährige, die sich mit dem Make-up ihrer Mutter beschmiert hat. »Ich bin mit einem der Jungs von der Columbia zusammen. Ich könnte bei ihm wohnen.«
»Klar. Du willst im Wohnheimzimmer von irgendeinem Kerl einziehen.«
Merry setzte sich auf und ließ die Finger auf ihrer Brust auf und ab spazieren. Ich wollte es ihr verbieten.
»Hör zu«, sagte ich. »Wir finden eine Lösung, ich verspreche es. Überlass einfach alles mir. Es sind doch nur noch ein paar Monate, bis du deinen Abschluss machst.«
Merry schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, ob ich es so lange aushalte.«
Ich zog ihr die Hand von der Brust. »Du wirst es aushalten.
Wenn es gar nicht anders geht, kannst du zu mir nach Boston kommen.« Während ich sprach, schrumpfte die Freiheit von Boston in sich zusammen.
Henry Yee sah mit ruhigem Lächeln zu, wie ich eines seiner Kissen zurechtboxte, damit es bequemer war. Sein Zimmer war seit Anne Cohens Tod zu meiner Rettung geworden. Ich wusste nicht, ob ich mit Henry zusammengekommen war, weil ich mich zu ihm hingezogen fühlte, oder eher, weil ich einen ruhigen Ort zum Lernen brauchte an den Wochenenden, wenn Merry zu Besuch kam. Mein Zimmer war jetzt ihre Zuflucht, und wenn sie da war, rückten die Wände zu eng um mich zusammen.
Henry streichelte meinen Arm, als berührte er ein Geschenk. »Du hast wunderschöne Haut.« Er fuhr mit seinen klobigen Fingern über meine kleinen Brüste und lächelte. »Perfekt.«
Henry erachtete viele Dinge als perfekt, die die meisten Männer mangelhaft fanden. Meine mädchenhaften Brüste, die beinahe schwarzen Augen, die vielen Männern unheimlich waren, meine knabenhaft schmalen Hüften – perfekt, perfekt, perfekt, behauptete Henry. Was ein Typ mal als meine verdammte Unfähigkeit, irgendetwas anderes als verfluchte Tatsachen auszusprechen bezeichnet hatte, war für Henry anscheinend das Allerhöchste. Wir wussten beide einen Partner zu schätzen, dem es egal war, dass wir neunundneunzig Prozent unserer wachen Zeit eingewühlt in Bücherstapel verbrachten. Wir waren einfach dankbar für jemanden, mit dem wir schlafen und Saturday Night Live schauen konnten.
Ich legte den Kopf auf Henrys weiche Brust. Er sprach ständig davon, ins Fitnessstudio zu gehen oder Schwimmen oder Gewichtheben, aber wir wussten beide, dass das leere Worte waren.
Mir war es gleich – sein endomorpher Körperbau passte gut zu meinem ektomorphen.
Er knabberte sich wie üblich an meinem Körper hinab. Henry und ich schliefen miteinander, wie ich mir das bei einem Ehepaar mittleren Alters vorstellte. Nichts Exotisches. Keine Überraschungen. Wir waren beide damit zufrieden.
»Erst massiere ich dir den Rücken, dann du mir«, sagte Henry. Er drehte mich herum und massierte mir den Rücken, genau so, wie ich es mochte, mit langen, tiefen Strichen. Ich stöhnte. Wir lösten einander oft abwechselnd die Anspannung der vergangenen Woche aus den schmerzenden Muskeln. Ich hoffte, dass ich lange genug würde wach bleiben können, um Henrys Massage zu erwidern.
Wir waren seit vier Monaten zusammen, seit Januar. Bisher waren wir einmal ins Kino und zweimal essen gegangen, beide Male gemeinsam mit Ron und Marta, die auch in einer Medizinstudiums-Romanze zusammengefunden hatten. Wie bei uns, bestand auch ihre Beziehung aus Sex, Lernen und billigem Fertigfraß beim Fernsehen.
Henry und ich hatten den Vorteil, dass seine Mutter uns oft etwas zu essen herüberschickte. Ich liebte Mrs. Yee. Sie konnte kaum Englisch, aber jedes Mal, wenn ich bei ihr war, lächelte sie und sagte: »Nettes Mädchen.« Dann fütterte sie mich. Meine ideale Lebenssituation war vielleicht in einer tauben Familie oder einer, die kein Englisch sprach.
Nachdem ich Henry ein paar Minuten lang den Rücken massiert hatte, folgte der spießige Sex, danach küssten wir uns und machten es uns jeder auf seiner Seite des Bettes gemütlich. Wie
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