Hex Hall - Hawkins, R: Hex Hall
Spiegelburschen zu reden. Bis ich wusste, dass alle, die mir am Herzen lagen, in Sicherheit waren, konnte ich diese ganze Casnoff-Geschichte nicht einmal ansatzweise in den Kopf bekommen.
Aber als ich die Einsatzzentrale erreichte, war Mom dort; sie lehnte an dem großen Tisch, hatte die Arme vor der Brust verschränkt und sah Torin an. Worüber sie auch gesprochen haben mochten, sie brachen sofort ab, als ich eintrat. Der Ausdruck auf ihren Gesichtern gefiel mir überhaupt nicht.
»Ähm, hi«, murmelte ich und klopfte mit den Knöcheln an den Türrahmen. »Ich wollte mich gerade mit euch unterhalten.«
»Gut«, erwiderte Mom, aber ich schüttelte den Kopf.
»Nicht mit dir. Ich meine, wir müssen definitiv reden, aber zuerst wollte ich mit Ihnen sprechen.« Ich zeigte auf Torin.
Er strahlte mich an. »Mit Vergnügen. Obwohl ich die Vermutung hege, dass deine Fragen die gleichen sein werden wie die deiner Mutter. Wo ist James? Ist er am Leben? Gibt es eine Möglichkeit, ihn zu erreichen … «
»Du hast ihn nach Dad gefragt?«
Mom warf Torin einen bösen Blick zu. »Allerdings. Nicht dass es viel genützt hätte. Ich hatte ganz vergessen, wie nervig du bist.«
Immer noch lächelnd, stützte Torin das Kinn in die Hand und erwiderte: »Weißt du, wenn du mich einfach aus diesem verdammten Spiegel befreien würdest, könnte ich James selbst holen gehen. Natürlich immer vorausgesetzt, dass er nicht nur noch ein Häufchen Asche ist.«
Ich ballte die Fäuste und rief ihm ein Wort zu, das ich noch nie im Leben vor meiner Mom benutzt hatte. Aber sie wirkte nicht besonders verärgert. Stattdessen murmelte sie: »Einverstanden«, und ließ das Tuch mit einem Wurf aus dem Handgelenk über den Spiegel fallen.
»Die meiste Zeit über ist er nutzlos«, sagte Mom und rieb sich den Nacken. Die Sorgenfalten um ihren Mund waren tiefer geworden. »Aislinn hätte ihn schon vor Jahren loswerden sollen.«
»Das habe ich gehört!«, rief Torin, dessen Stimme durch das Tuch gedämpft war.
Mom verdrehte die Augen. »Willst du für ein Weilchen hier weg?«
Ich zögerte. Was ich gewollt hatte, war zwar ein Gespräch mit Torin gewesen, aber ich wusste, dass es eine Menge Dinge gab, die Mom und ich zu besprechen hatten. Außerdem würde uns der Spiegelbursche ja nicht weglaufen. »Sicher.«
Schließlich einigten wir uns auf einen Spaziergang. Es war komisch, wie schön und harmlos der Wald um das Lager der Brannicks bei Tag aussah. Für lange Zeit sprachen wir kein Wort. Erst als wir den Stamm eines riesigen Baumes erreichten, der sich über ein kleines Rinnsal – zu klein, um als Bach bezeichnet zu werden – gelegt hatte, sagte Mom etwas. »Früher, als ich in deinem Alter war, war das hier mein Lieblingsplatz. Hier bin ich immer hergekommen, um nachzudenken.«
»Ich wette, damals hattest du eine ganze Menge, über das du nachdenken musstest.«
Sie kicherte, aber es klang nicht froh. Wir setzten uns auf den umgestürzten Baum. Die Spitzen von Moms Stiefeln berührten das Wasser, aber meine hingen immer noch ein Stück darüber.
»Okay, sprich«, sagte ich, als wir uns zurechtgesetzt hatten. »Ich will die ganze Geschichte hören, von Baby Brannick bis zu Grace – oh, wow.« Ich drehte mich zu Mom um und sah sie an. »Dann ist Mercer also einfach ein erfundener Name? Du heißt Grace Brannick.«
Mom wirkte ein wenig verlegen. »In der Nacht, in der ich weggelaufen bin, hat mich ein Mercedes mitgenommen. Als mich der Fahrer nach meinem Namen fragte, habe ich … improvisiert.«
Ein Name ist nur ein Wort. Das weiß ich auch. Aber zu erfahren, dass der Nachname, den ich mein Leben lang verwendet hatte, falsch war …
»Also, wie soll ich mich dann nennen?«, fragte ich. »Sophie Atherton? Sophie Brannick?« Beides klang seltsam und ich kam mir vor, als trüge ich Kleider, die mir nicht passten.
Mom lächelte und strich mir das Haar aus dem Gesicht. »Du kannst dich nennen, wie du willst.«
»Okay. Dann nenne ich mich Sophie, die tolle Glitzerprinzessin.«
Diesmal lachte Mom, ein echtes Lachen, und verschränkte ihre Finger mit meinen. Wir saßen dort auf diesem Baum, mein Kopf an ihrer Schulter, und Mom erzählte mir ihre Geschichte. Es erinnerte mich daran, wie sie mir vor dem Schlafengehen vorgelesen hatte, als ich klein war. Und ihre Geschichte war nicht viel anders als die Märchen, die ich früher so geliebt hatte, diese wirklich dunklen und gruseligen voller Herzeleid.
»Als ich hier aufwuchs, war das Leben … na,
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