Hex Hall - Hawkins, R: Hex Hall
von Gott weiß woher herbeigezogen. Das ist nicht nur heftig, das ist … «
»Gruselig«, beendete ich ihren Satz. Der Rest der Gruppe versammelte sich gerade vor dem Haus, und ich hatte das beunruhigende Gefühl, dass wir alle nur darauf warteten, dass irgendjemand – oder irgendetwas – zur Vordertür herauskam. Als könnte jeden Moment Mrs Casnoff erscheinen und es würde einfach ein normales Schuljahr werden. Jenna und ich blieben dicht beieinander, wir hielten uns im hinteren Bereich der Menge.
Jemand auf meiner anderen Seite gab mir einen Stoß gegen die Schulter, und ich rückte näher an Jenna heran, um Platz zu machen. Dann schloss sich eine Hand über meiner.
Bevor ich auch nur den Kopf umwandte, wusste ich Bescheid.
»Mercer.« Archer schaute lächelnd auf mich herab. »So ein Zufall, dich hier zu treffen.«
Sosehr ich es mir auch wünschte, ich konnte ihm nicht einfach die Arme um den Hals werfen und ihn totknutschen. Ich wollte es wirklich. Also begnügte ich mich damit, meine Finger mit seinen zu verschränken und ihn ein klein wenig näher an mich heranzuziehen.
Archer war hier, in Sicherheit, seine Hand lag in meiner. Und Jenna, die sich auf der anderen Seite an mich drückte. Mein Herz war so voll, dass ich kaum atmen konnte. Ich gab mir Mühe, unbeschwert zu klingen, doch als ich sagte: »Natürlich. Ausgerechnet dann, wenn alles zum Teufel geht, tauchst du auf. Ich hätte es wissen müssen«, klang meine Stimme angespannt.
Er zuckte die Achseln, obwohl in seinen Augen das gleiche Gefühl brannte, das gegenwärtig durch meine Adern floss. »Italien wurde mir zu langweilig. Ich dachte, da könnte ich auch gucken, was ihr Ladys so treibt. Hallo, Jenna«, sagte er und nickte ihr an mir vorbei zu.
Ich konnte spüren, dass sich Jenna ein wenig versteifte; das Auge hatte Jennas erste feste Freundin getötet, die außerdem derselbe Vampir gewesen war, der Jenna erschaffen hatte. Überflüssig zu sagen, dass sie nicht gerade Archers größter Fan war. Trotzdem deutete sie ein Nicken an. »Archer.«
»Also, bist du auch in goldenes Licht gehüllt und durch irgendeine Art von Wirbel hierher gezogen worden?«, fragte ich Archer und versuchte mich auf die anstehende Aufgabe zu konzentrieren und nicht darauf, wie seine Finger die Innenfläche meiner Hand sanft streichelten.
»Hm? Ja, klar, goldenes Licht, dann war es so, als benutze jemand meinen Körper, um Origami zu falten. Und dann, zack, peng, zurück in Hex Hall. Irgendeine Ahnung, was hier los ist?«
Es war Jenna, die antwortete. »Nicht die geringste. Siehst du irgendjemanden, an den du dich erinnerst?«
»Während ich nach dir gesucht habe, bin ich Evan über den Weg gelaufen, dem Zauberer, mit dem ich mir das Zimmer geteilt habe. Er, ähm, war nicht allzu glücklich darüber, mich zu sehen.«
Archer zuckte ein wenig zusammen, als er die Hand an den Wangenknochen hob. Die Stelle sah etwas geschwollen aus, und es bildete sich bereits ein blauer Fleck. »Oh, verstehe«, sagte ich. Ich hatte die verschiedenen Gerüchte, die sich nach seiner Flucht aus der Schule über Archer gebildet hatten, schon fast vergessen. »Die Leute glauben, du hättest Elodie getötet. Und auch versucht, mich zu töten. Daher sollten wir vielleicht aufhören, Händchen zu halten.«
Ich war mir nicht sicher, ob Archer verwirrt oder sauer oder beides war, jedenfalls ließ er meine Hand fallen und sagte: »Wieso … «
Doch was er auch hatte sagen wollen, es wurde von dem langsamen, knarrenden Öffnen der Eingangstür von Hecate Hall unterbrochen. Alle Köpfe fuhren herum, und ich hätte schwören können, dass ich von drinnen Schritte hörte. Ich hielt den Atem an und wünschte, ich hätte Archer nicht gesagt, dass er mich loslassen sollte.
Mrs Casnoff trat in das fahle Licht hinaus und trug das gleiche Kostüm, das sie auch an dem Tag getragen hatte, an dem ich sie kennengelernt hatte. Das war aber auch das Einzige, was gleich geblieben war.
Sie sah gut zehn Jahre älter aus als bei meiner letzten Begegnung mit ihr, und ihre Hände, die sie zu einer Geste des Willkommens ausbreitete, zitterten. Ihr königsblauer Rock und ihre Jacke schienen an ihrem knochigen Körper herabzuhängen. Außerdem hatte sie einen dunklen Fleck auf ihrer Seidenbluse.
Aber das Beunruhigendste von allem war ihr dunkelblondes Haar. Das Haar, das sie immer zu lächerlich kunstvollen Frisuren auftoupiert, aufgedreht oder aufgezaubert hatte, es war jetzt vollkommen weiß und fiel ihr lang
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