Hex Hall - Hawkins, R: Hex Hall
auf den Rücken hinab. Wie Spinnweben wehte es um ihren Kopf.
»Schüler von Hecate Hall«, sagte sie, und ihre Stimme war so zittrig wie die einer alten Frau. »Willkommen zu einem neuen Halbjahr.«
14
»O mein Gott«, murmelte Jenna im gleichen Moment, als ich sagte: »Heiliges Höllenwiesel.« Ich werde nicht wiederholen, was Archer gesagt hat.
Irgendjemand aus der Menge – ich glaube, es war Taylor – rief: »Aber die Schule ist geschlossen. Alle haben gesagt … «
Ihre Worte verloren sich, und eine der Elfen meldete sich mit hoher, klarer Stimme zu Wort. »Sie haben kein Recht, uns hierher zu bringen. Die Elfen haben kein Bündnis mehr mit dem Rest der Prodigien. Im Namen des Hofes der Seelie verlange ich, dass Sie uns nach Hause zurückschicken.« Aha. Das war Nausicaa. Sie war die Einzige der Elfen, die so redete, als probe sie für ein Theaterstück.
Jenna beugte sich zu mir herüber und sagte: »Die Elfen haben das Bündnis beendet? Hast du das gewusst?«
Ich schüttelte den Kopf, während Mrs Casnoff Nausicaa mit einem funkelnden Blick durchbohrte. So zerbrechlich sie auch schien, sie konnte immer noch verdammt böse schauen. »Bündnisse und Bündnisverträge haben hier in Hecate Hall keine Bedeutung. Wenn Sie hier einmal Schüler gewesen sind, gehören Sie zur Schule. Immer.« Sie lächelte ein Lächeln, das eher wie eine Grimasse war. »Das steht in der Schulordnung, die Sie unterschrieben haben, als Sie dazu verurteilt wurden, hierherzukommen.«
Ich erinnerte mich daran: Das war eine dicke Informationsbroschüre, die ich kaum gelesen hatte, da hatte ich meinen Namen auf die gepunktete Linie gekritzelt. Plötzlich wünschte ich, ich besäße die Macht der Zeitreise, damit ich der Sophie von vor einem Jahr eine Ohrfeige verpassen und ihr sagen könne, dass sie sich die Sachen zuerst durchlesen müsse.
»Nun, ich bin mir sicher, dass es viele Fragen gibt«, fuhr Mrs Casnoff mit der Untertreibung des Jahres fort. »Aber für den Moment gehen Sie bitte auf Ihre Zimmer. Anlässlich der Versammlung heute Abend wird alles erklärt werden.«
»Das ist doch Blödsinn!«, rief jemand. Ich stellte mich auf die Zehenspitzen und sah einen hochgewachsenen Jungen mit rötlichem Haar.
»Evan«, murmelte Archer.
Die Menge wich irgendwie von dem Jungen zurück, während er und Mrs Casnoff einander mit Blicken maßen.
»Wie bitte, Mr Butler?«, fragte Mrs Casnoff, und diesmal klang sie wieder sehr viel mehr wie die alte Mrs Casnoff und weniger wie eine zerbrechliche alte Dame.
»Das Auge und die Brannicks haben uns einen nach dem anderen getötet, und die Schule ist plötzlich einfach verschwunden. Und jetzt? Sollen wir jetzt etwa einfach ein neues Schuljahr anfangen?«
Niemand flüsterte mehr. Ich bemerkte, dass alles unnatürlich still geworden war. Der Wind hatte sich gelegt, weder Vögel noch der ferne Ozean waren zu hören. Es schien, als halte die Insel den Atem an.
»Genug«, erklärte Mrs Casnoff. »Wie ich schon sagte, die Versammlung heute Abend wird alle Fragen beantworten … «
»Nein!«, rief Evan, und seine Stimme hallte in der stillen Luft wider. »Ich setze da keinen Fuß rein, ehe Sie uns nicht gesagt haben, was zum Teufel hier los ist. Wie haben Sie uns hierher gebracht? Warum ist er hier?« Evan machte eine Daumenbewegung zu Archer hin, und mehrere Leute schauten in unsere Richtung. Archer stellte eine gelangweilte Miene zur Schau, doch der blaue Fleck an seiner Wange zeichnete sich vor seiner plötzlich blasseren Haut dunkler ab.
»Mr Butler«, herrschte ihn Mrs Casnoff an und richtete sich auf. »Hören Sie auf damit. Sofort.«
Evan schnaubte. »Scheiß drauf.« Das Mädchen neben Evan, eine Hexe, deren Name – glaube ich – Michaela war, legte ihm eine Hand auf dem Arm und sagte etwas zu ihm. Doch er schüttelte sie ab. »Auf keinen Fall verbringe ich noch ein weiteres Jahr in irgendeinem verrottenden Herrenhaus, das sich vor der ganzen Welt versteckt. Nicht, wenn ein Krieg bevorsteht.« Mit diesen Worten drängte er sich durch die Menge und wirbelte mit seinen Füßen eine Staubwolke auf der gekiesten Einfahrt auf.
»Evan.« Wieder ertönte Mrs Casnoffs Stimme, und diesmal lag mehr darin als Wut oder Verärgerung. Es klang beinahe wie eine Warnung.
Aber Evan drehte sich noch nicht einmal um.
»Was zum Geier hat er vor? Will er etwa zum Festland schwimmen?«, murmelte ich leise.
Inzwischen hatte Evan die dicke Nebelwand erreicht, die das Haus umgab. Er zögerte, und ich
Weitere Kostenlose Bücher