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Hex

Titel: Hex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Freunde von Ihnen, was?« Dann beschleunigte er das Automobil und raste auf eine Kreuzung zu.
    Das Geld war schlecht angelegt. Von rechts und links preschten zwei Wagen heran, bremsten scharf und versperrten ihnen den Weg. Mitten auf der Kreuzung mußte der Fahrer anhalten. Fluchend kauerte er sich hinter seinem Steuer zusammen und regte sich nicht.
    Larissa blickte sich voller Panik um. Aus den beiden Wagen vor ihnen, aber auch aus jenen, die ihnen auf den Fersen gewesen waren, stiegen Männer, mindestens sechs oder sieben. Sie alle trugen schwarze Uniformen.
    Eine alte Frau, die ihren Hund ausführte, war stehengeblieben, als die Wagen mit quietschenden Bremsen zum Stehen kamen. Jetzt aber, da sie sah, wer im Inneren gesessen hatte, beeilte sie sich, weiterzugehen. Die Uniformierten achteten nicht auf sie.
    Einer der Männer klopfte an das Fenster des Fahrers.
    »Was gibt’s?« fragte der mit schwankender Stimme.
    »Steigen Sie aus«, sagte der Soldat.
    Der Fahrer war klug genug, den anderen die Aufforderung nicht wiederholen zu lassen. Eilfertig sprang er aus dem Wagen. Larissa sah, wie der Uniformierte ihn beiseite nahm und mit finsterer Miene auf ihn einredete.
    Gleichzeitig wurde neben ihr die Tür aufgerissen.
    »Kommen Sie!« befahl ihr barsch ein junger Mann.
    Sie rückte von ihm fort, als auch auf der anderen Seite die Tür geöffnet wurde. Arme streckten sich nach ihr aus und zerrten sie ins Freie.
    Sie wehrte sich so gut sie konnte, strampelte und schrie um Hilfe, aber natürlich war es vergebens. Innerhalb von Sekunden hatte man sie in eines der anderen Automobile gestoßen. Rechts und links von ihr plazierte sich je ein Uniformierter, ein dritter setzte sich hinters Steuer. Keiner von ihnen war über dreißig. Der Wagen setzte ein paar Meter zurück, umfuhr dann die übrigen Fahrzeuge auf der Kreuzung und raste davon, zurück in die Richtung, aus der sie gekommen waren, nach Süden.
    Larissa ballte die Fäuste und gab sich geschlagen. »Wohin bringen Sie mich?«
    »Mund halten!« schnauzte sie der Mann zu ihrer Linken an, während der rechte, ein wenig mitfühlend, flüsterte: »Bitte.«
     
    Acht Stunden später fuhren sie immer noch in südliche Richtung, entlang einer Landstraße, die durch dichte schwarze Wälder führte, eng und einsam unter einem Himmel voller schwerer, satter Regenwolken.
    Larissa hatte es längst aufgegeben, die drei Männer nach dem Ziel ihrer Reise zu fragen. Keiner gab ihr eine Antwort. Ihre Angst war während der vergangenen Stunden in merkwürdigen Bahnen auf- und abgestiegen, war manchmal so schlimm, daß sie kaum Luft bekam, und mal so sanft, daß sie sich beinahe entspannte. Am größten war ihre Panik gewesen, als sie bemerkt hatte, daß sie Berlin verließen. Sie war überzeugt gewesen, daß man sie hier draußen ermorden und auf einem Acker verscharren wollte. Doch nichts dergleichen war geschehen. Abgesehen von zwei kurzen Pausen, die sie eingelegt hatten, um aufzutanken, war der Wagen beständig nach Süden gebraust, zumeist über offenes Land, das sich brütend und leer unter der Nachmittagssonne wellte.
    Hier und da war es ihr gelungen, einen Blick auf Wegweiser zu erhaschen. Sie war in Erdkunde nicht allzu bewandert, doch die meisten der großen Städte vermochte sie geographisch einzuordnen. Sie ließen Leipzig und Gera und Coburg hinter sich, und da erst wurde Larissa klar, daß sie sich bereits in Bayern befanden.
    Niemand sprach, abgesehen vom Allernötigsten, und Larissa fragte sich, ob dies zur Disziplin der Uniformierten gehörte. Vielleicht hatten sich die Männer auch schlichtweg nichts zu sagen.
    Eine Weile lang hatte sie versucht, die drei mit ihrem Charme und gutem Aussehen zu becircen, doch selbst das hatte sich als Fehlschlag erwiesen. Die Männer gehorchten nur einer einzigen Stimme, und die gehörte nicht ihrer Eitelkeit.
    So kam es, daß sich die Gelegenheit zur Flucht beinah beiläufig ergab.
    Am Abend fuhren sie an einem Schild vorbei, auf dem stand: Nürnberg, 16 Kilometer. Der Fahrer schimpfte leise vor sich hin und sagte schließlich: »Fast da. Aber tanken müssen wir trotzdem.«
    Fortan hielt er Ausschau nach einer Tankstelle. Aber im Wald rechts und links der Landstraße zeigte sich nicht einmal ein Bauernhof, wo man ihnen hätte weiterhelfen können.
    »Die letzte Tankstelle lag doch gar nicht so weit zurück«, bemerkte der Uniformierte zu ihrer Rechten. »Vielleicht schaffen wir es zurück bis dorthin und...«
    »Ach, verdammt!«

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