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Hex

Titel: Hex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Revolver lag neben ihm am Boden.
    Larissa schlug entsetzt die Hand vor den Mund. Sie biß sich fest auf die Knöchel, um nicht in Panik zu verfallen und sich zur Ruhe zu zwingen. Es dauerte ein paar Sekunden, aber dann war sie wieder in der Lage, klare Gedanken zu fassen.
    Sie schaute sich um. Derjenige, der den Mann getötet hatte, war nirgends zu sehen. Aber das mußte nichts bedeuten. Er war zweifellos in der Lage, sich zu verstecken und sich vollkommen lautlos zu bewegen, sonst hätte er ihren Entführer kaum überwältigen können.
    Jenseits der Bäume ertönte ein Schuß. Die beiden Männer am Automobil mußten den Angreifer bemerkt haben. Der Drang, tiefer in den Wald zu laufen, überkam Larissa fast schmerzhaft. Zugleich aber wollte sie wissen, was da geschah. Und vor allem, wer ihren Bewacher getötet hatte. Sie hatte eine Ahnung, ganz vage, doch es schien fast unmöglich. Dennoch wollte sie sich vergewissern.
    Sie behielt recht.
    Der Leierkastenmann trug nicht länger sein buntes Kostüm, sondern einen dunklen Overall. Sein Haar war naß und straff zurückgekämmt. Als sie aus dem Dickicht trat, beugte er sich gerade über den am Boden liegenden Fahrer und zog ein Messer aus seiner Brust.
    Larissa wandte sich ab, machte aber wie in Trance einen Schritt auf ihn zu.
    Er blickte auf und war nicht im geringsten überrascht. Er mußte sie längst bemerkt haben.
    »Schnell, kommen Sie her!« zischte er. Er sah jetzt jünger aus, um die Vierzig. Einige der Falten und Augenringe auf dem Friedhof mußten aufgeschminkt gewesen sein.
    Sie gab sich Mühe, den Toten am Boden nicht anzusehen. Dabei stolperte sie fast über die Waffe, die er verloren hatte.
    »Wo ist der dritte?« fragte der Leierkastenmann, der keiner mehr war.
    »Wer sind Sie?« stammelte sie.
    Zorn lag in seiner Stimme. »Wo ist der dritte Mann?«
    »Ich weiß es nicht«, gab sie zurück. »Vielleicht ist er los, um Benzin zu holen.«
    Sie hatte den Satz kaum beendet, als die Windschutzscheibe des Automobils in tausend Splitter zerbarst. Eine zweite Kugel schlug in die Motorhaube.
    »Fallenlassen!« brüllte sie der Mann an. Es wäre nicht nötig gewesen. Larissa hatte sich längst ins Unterholz am Waldrand geworfen.
    Sie sah, wie der Mann im schwarzen Overall in blitzschnellem Zickzack in die Richtung rannte, aus der die Schüsse gekommen waren. Kleine Staubfontänen stoben rechts und links von ihm aus dem Boden, als weitere Kugeln ihn verfehlten. Unaufhaltsam näherte er sich dem Schützen und verschwand aus Larissas Blickfeld. Wenig später ertönte ein Schrei.
    Der Mann kehrte zurück und gab ihr mit einem Wink zu verstehen, daß sie herauskommen könne. Sie war sich dessen keineswegs sicher – wer sagte ihr denn, daß er es ehrlich mit ihr meinte? –, trat aber einige Schritte ins Freie.
    »Sie brauchen keine Angst vor mir zu haben«, sagte er ungeduldig. Das Messer hatte er weggesteckt. »Helfen Sie mir lieber, den Kerl hier ins Gebüsch zu ziehen.«
    Sie machte keinerlei Anstalten, der Aufforderung zu folgen. Statt dessen sah sie zu, wie er den Toten allein vom Auto fortzog und hinter den Büschen ablegte.
    »Vielen Dank für Ihre Hilfe«, bemerkte er lakonisch. »Zweihundert Meter weiter die Straße hinauf steht mein Wagen. Gehen Sie schon vor, ich räume hier noch ein wenig auf.«
    »Ich habe Sie gefragt, wer Sie sind«, wiederholte Larissa. Ihre Stimme klang schon wieder ein wenig fester. »Und ich erwarte eine Antwort.«
    »Vertrauen Sie mir«, bemerkte er wie beiläufig. »Ich will Ihnen helfen.«
    »Sie sind mir doch nicht aus purer Nächstenliebe Hunderte Kilometer weit gefolgt?«
    »Ich kann Ihnen darauf keine Antwort geben«, sagte er und scharrte mit den Füßen Staub auf einen Blutfleck.
    »Dann sind Sie nicht besser als die da.« Sie deutete fahrig auf die Toten im Wald.
    Mit zwei schnellen Sätzen war er heran und packte sie am Unterarm. Er fletschte die Zähne wie ein Tier. »Hören Sie, wir haben keine Zeit für Ihre Spielchen. Tun Sie, was ich Ihnen sage, und alles weitere wird sich ergeben.«
    Larissa trat zu. Ihr Angriff kam so unerwartet, daß ihm nicht einmal Zeit blieb, sich zur Seite zu drehen. Ihr Knie krachte zwischen seine Beine, mit aller Kraft, die sie aufbringen konnte.
    Ohne ein weiteres Wort brach er zusammen, rollte sich am Boden zusammen wie ein Kind und schnappte nach Luft. Larissa hatte so etwas nie zuvor getan, und die tatsächliche Wirkung übertraf ihre Erwartung bei weitem. Sein Gesicht wurde hochrot, dann

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