Hex
wüßte. Die meisten taten so, als hätten sie ihre Frage nicht gehört, drehten sich einfach um und gingen, Furcht im Blick und ein Beben in der Stimme.
Schließlich aber fand sie einen älteren Assistenten, ein Mann, der seit Jahren im Atelier arbeitete und den nichts mehr erboste als die Machtspiele der Parteien und Politiker und der Einfluß, den sie auf die Filmemacher nahmen. Er wußte, was Larissa hören wollte, und er scheute sich nicht, mit ihr darüber zu sprechen.
»Die offizielle Version ist, daß die Schwarze Reichswehr nicht existiert«, flüsterte er, geduckt im Schatten einer Sperrholzdekoration. »Aber in Wahrheit sind ihre Männer überall, und niemand unternimmt etwas dagegen.«
»Aber wer sind sie?« fragte Larissa.
»Ehemalige Offiziere und Feldwebel, Freiwillige, die eine kurze militärische Ausbildung durchlaufen haben und als Reservisten eine illegale Verstärkung der normalen Reichswehr bilden. Der Versailler Vertrag hat die Zahl der Soldaten auf deutschem Boden sehr genau festgelegt, und die Reichswehr umgeht diese Beschränkung, indem sie die Schwarze Reichswehr mit Waffen und Ausrüstung versorgt. Natürlich gibt niemand so etwas zu. Aber vor ein paar Wochen, im Januar, gab es einen Prozeß gegen einige ihrer Angehörigen.«
Larissa erinnerte sich. »Die Fememorde?«
»Ganz genau. Ein paar Männer der Schwarzen Reichswehr hatten sechzig ihrer früheren Kameraden ermordet, Abtrünnige, die unerlaubt ausgestiegen waren. Bei der Gerichtsverhandlung kam einiges über die Schwarze Reichswehr ans Licht. Sie wird zur Bewachung illegaler Waffenlager und zum Grenzschutz eingesetzt, und die meisten ihrer Mitglieder gehörten früher zu aufgelösten Freikorps oder nationalistischen Gruppen. Eine ganze Reihe von ihnen war dabei, als dieser Hitler vor drei Jahren in München den Aufstand probte.«
Larissa spürte, wie sich ihre Kehle zuschnürte. »Aber warum unternimmt niemand etwas gegen sie?«
Der ältere Mann lächelte sanft. »Kindchen, verstehst du’s denn wirklich nicht? Die Schwarze Reichswehr arbeitet für die Armee und die Regierung. Nicht offiziell und natürlich illegal, und doch ist es so.«
Larissa rang nach Worten: »Und was wollen sie von mir?«
Sanftmütig tätschelte er ihre Hand. »Schätze, du hast dir ein paar mächtige Feinde gemacht.«
Daraufhin wandte er sich ab und wollte gehen. Einmal aber drehte er sich noch um und flüsterte über die Schulter: »Paß auf dich auf, mein Kind! Kein Mensch wird dir helfen, wenn die es wirklich auf dich abgesehen haben.«
Er verschwand und ließ Larissa allein und verängstigt zurück. Sie kauerte sich in den Schatten der Dekoration, schlug die Hände vors Gesicht und zwang sich zum Nachdenken. Sie hatte entsetzliche Angst, aber sie wußte auch, daß sie ihre Furcht überwinden mußte, wenn sie heil aus dieser Sache herauskommen wollte.
Es gab nur einen, an den sie sich wenden konnte, solange Max fort war.
So schnell sie konnte verließ sie das Atelier, bestieg vor dem Tor ein Mietautomobil und erklärte dem Fahrer den Weg zur Villa der von Posers.
»Kennen Sie die?« fragte der Fahrer, nachdem sie etwa zwanzig Minuten unterwegs waren.
Sie brauchte einen Moment, ehe sie begriff, wen er meinte. Sie schaute sich um und sah durch die Heckscheibe des Wagens nach draußen.
Zwei Automobile waren dicht hinter ihnen auf der ansonsten verlassenen Straße. Nichts an ihnen wirkte ungewöhnlich oder verdächtig. Trotzdem jagten ihr die Worte des Fahrers eine Gänsehaut über den Rücken.
»Warum fragen Sie?«
»Weil die hinter uns her sind, seit Sie bei mir eingestiegen sind. Dachte, Sie wissen vielleicht, warum.«
Ihr wurde schlagartig schlecht. »Können wir sie loswerden?« preßte sie mühevoll hervor.
Er schüttelte den Kopf. »Nicht in dieser Gegend. Zu wenig Verkehr. Ist außerdem nicht gut für den Wagen.«
Larissa wollte unwirsch widersprechen, beließ es aber dann bei einem leisen Fluch. Rechts und links der Straße standen hinter Hecken und Baumreihen weitläufige Anwesen. Wenn sie sich nicht täuschte, waren sie nur noch zwei oder drei Straßenecken vom Haus der von Posers entfernt.
»Können Sie wenigstens etwas schneller fahren?«
»Nicht gut für den Wagen«, wiederholte er teilnahmslos.
Larissa kramte in ihrer Handtasche. »Hier, nehmen Sie das«, sagte sie und reichte ihm einen Geldschein nach vorne. »Und fahren Sie, so schnell Sie nur können.«
Der Fahrer nahm das Geld und kicherte. »Sind wohl gute
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