Hex
fluchte der Fahrer. »Wenn du alles besser weißt, dann fahr doch beim nächsten Mal selbst.«
»Du weißt, daß ich das nicht kann.«
»Und deshalb halt gefälligst das Maul.«
Der Mann links von ihr mischte sich ein. »Laß deine Wut nicht an ihm aus. Er kann nichts dafür. Du bist an der Tankstelle vorbeigefahren, nicht er.«
Der Kopf des Fahrers ruckte herum. »Was soll das? Fängst du jetzt auch noch an?«
Das Wortgeplänkel wuchs sich zu einem heftigen Streit aus, als das Automobil plötzlich langsamer wurde. Mit einem kraftlosen Schnaufen setzte der Motor aus, der Wagen kam am Straßenrand zum Stehen. Der Tank war endgültig leer.
»Großartig!« brüllte der Mann zu ihrer Linken und sprang aus dem Wagen. Der andere, rechts von ihr, seufzte ergeben und schüttelte stumm den Kopf. Auch der Fahrer stieg aus und trat vor Wut gegen die Karosserie. Blech schepperte, der ganze Wagen erbebte.
Larissa saß verkrampft auf der Rückbank und überlegte fieberhaft, wie sie die Lage für sich nutzen konnte. Da spürte sie, wie sich der Lauf eines Revolvers in ihre rechte Seite preßte.
»Denken Sie nicht mal dran«, sagte der Mann neben ihr.
Zum ersten Mal besah sie ihn sich näher. Er war kaum älter als sie selbst, strohblond, aber mit dunklen, buschigen Augenbrauen.
»Wie heißen Sie?« fragte sie.
»Sie wissen, daß ich Ihnen das nicht sagen kann.«
»Aber Sie tragen Uniform. Sie sind dazu verpflichtet.«
»Uniform ist nicht gleich Uniform.«
Larissa rümpfte die Nase. »Ja, den Eindruck habe ich auch.«
Draußen am Straßenrand beschimpften sich die beiden anderen Männer und sahen aus, als wollten sie gleich aufeinander losgehen. Kein anderes Fahrzeug kam vorbei. Die Gegend schien völlig verlassen, obgleich sie sich doch nur wenige Kilometer vor der Stadtgrenze befanden.
»Ich muß mal«, sagte Larissa, weil es das einzige war, das ihr in dieser Lage einfiel und ihr irgendwie weiterhelfen mochte. Aber sie hatte keinen wirklichen Plan und, wenn sie ehrlich zu sich war, auch keinerlei Hoffnung.
Der junge Mann mit der Waffe sah sie einen Moment lang zweifelnd an, dann rückte er nach draußen und ließ sie aussteigen. Der Revolver zeigte beharrlich auf ihren Bauch.
»Was wird denn das?« schnauzte sie der Fahrer an, sichtlich dankbar, daß er von seinem eigenen Mißgeschick ablenken konnte.
»Wie sieht’s denn aus?« fragte der Bewaffnete kalt. »Nach acht Stunden kannst du ihr das kaum übelnehmen.«
Der Mann, der im Auto links von ihr gesessen hatte, nickte knapp. »Von mir aus.«
Der Blonde führte sie etwa zehn Schritte weit ins Unterholz, während hinter ihnen der Streit der beiden anderen in die nächste Runde ging.
»Ihre beiden Freunde waren nicht lange beim Militär, stimmt’s?«
Der Mann nickte verächtlich. »Natürlich nicht.«
»Wer von ihnen ist der Ranghöchste?«
Er öffnete den Mund, um zu antworten, klappte ihn aber gleich wieder zu. Statt dessen lächelte er anerkennend. »Sie werden mich nicht dazu bringen, irgendwelche Namen zu nennen.«
»Aber den Versuch war’s wert.«
»Ich schätze schon.« Er hielt an. »Gehen Sie hinter die Büsche da vorne.«
»Und Sie?«
»Dachten Sie, ich würde Ihnen zusehen wollen?«
»Ich gebe zu, daß mir der Gedanke gekommen ist.«
Seine Augen blitzten. Schöne Augen, dachte sie und erklärte sich selbst für verrückt. »Ich bin keiner von diesen Rohlingen«, sagte er und schwenkte die Waffe. »Trotz dieses Dings hier.«
Sie schenkte ihm ein kurzes Lächeln. »Danke.«
Er nickte und sah ihr nach, als sie im Gebüsch verschwand. Er war nicht leichtsinnig; er würde bemerken, wenn sie zu fliehen versuchte.
Larissa hockte sich ins Unterholz. Anschließend raffte sie ihre Kleidung wieder zusammen. Sie trug noch immer ein kurzes, schwarzes Kleid aus Seide und Chiffon, das gerade am Körper herabfiel. Falls sie rennen mußte, würde es sie nicht behindern. Darüber trug sie einen knielangen Mantel, ebenfalls schwarz, dessen untere Hälfte mit stilisierten Blumenmustern bestickt war. Er wurde nur mit einem einzigen Zierknopf geschlossen. Auch er würde ihr beim Laufen nicht im Wege sein.
Als sie nach zwei Minuten aus dem Gebüsch trat, schaute sie sich vergeblich nach dem jungen Mann um. Dort, wo er eben noch gestanden hatte, war niemand mehr zu sehen.
Erst als sie sich der Stelle näherte, entdeckte sie ihn. Er lag leblos hinter einem Baumstamm, die Augen weit aufgerissen. Jemand hatte ihm von hinten die Kehle durchgeschnitten. Der
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